Paul Fleming

Mein Unglück ist zu groß... (Paul Fleming)

   

    Mein Unglück ist zu groß /

zu schwer die Noth /

So mancher Hertzens-stoß

dreut mir den Todt.

Mein Schmertze weiß von keiner Zahl.

Vor / nach / und alle mahl'

häufft sich die Quahl.

    Ein Mensch hat alle schuld /

das mich doch liebt.

Das weil es mir ist huld /

mich so betrübt.

Von Liebe kömmt mir alles Leid.

Ich weiß von keiner Zeit /

die mich erfreut.

    Preist jemand ihre Pracht /

so wird mir weh.

Wer ihr gedenckt / der macht /

daß ich vergeh'.

Erinner' ich mich denn der Pflicht /

was wunder ists / daß nicht

mein Hertze bricht.

    Liecht ist ihr Augen-glantz /

klahr ihre Zier.

Das macht / daß ich mich gantz

verliehr in ihr.

Sie hat es / was mein Hertze sucht /

Scham / Schönheit / Jugend / Zucht /

der Tugend Frucht.

    An Ihr liegt alles mir.

Was acht' ich mich.

Mein Sinn ist freund mit ihr /

und hasset sich.

Was ich beginne spat und früh /

Was ich gedenck ist Sie /

die werthe die.

    Sie hat mich gantz bey sich /

das schöne Kind.

Ihr auch zu lassen mich

bin ich gesinnt.

Die Treue / die sie mir verspricht /

find' ich in solcher Pflicht

sonst nirgends nicht.

    Und leb ich mich gleich todt

in solcher Pein /

noch hat es keine Noth;

Sie / sie kans seyn /

die mir das Leben wiedergiebt /

die mich so sehr betrübt

als sie mich liebt.

    Ach! daß ich ihr mein Leid

nicht klagen kan!

Ich bin von Ihr zu weit

itzt abgethan.

Von scheiden kömmt mir alle Noth;

diß macht mich blaß für roth /

für lebend todt.

    Läufft nun mein Glücke so?

Ach wehe mir.

O! warümm ward ich froh

von ihrer Zier?

Für jene kurtze Fröligkeit

hab' ich ein langes Leid /

auff allezeit.

    Bekenne selbst auff dich /

mein krancker Sinn /

hast du nicht Schuld / daß ich

so elend binn?

Warümm bewegte dich die Gunst?

Es war ja gar ümmsonst

mit deiner Brunst.

    Leid' ich für jene Lust /

so geht mirs recht.

Mir war nicht unbewust /

was Frucht sie brächt'.

Und gleichwol kunt ich gantz nicht ruhn;

Was mich betrübet nun

das must' ich thun.

    Euch klag' ich erstlich an /

Ihr Augen ihr.

Wie habt ihr doch gethan /

so falsch an mir.

Verräther wart ihr meiner Pein.

Drüm müßt ihr ohne Schein /

und dunckel seyn.

    Fliest / (denn diß sollet ihr

zur Busse thun /)

hinfürder für und für /

wie vor / und nun.

Quellt ewig / wie mein Schmertze quillt.

So wird mein Leid gestillt /

doch nie erfüllt.

    Nicht aber läst mein Muth

Sie eins aus sich.

Das junge treue Blut

beherrschet mich.

So daß ich gantz nicht anders kan /

ich muß ihr ümm und an

seyn unterthan.

    Liebt einer so / wie ich /

der sage mir /

wie er gehabe sich

bey Liebs-begier.

Ich fühle wol / was mich versehrt;

Noch gleichwol halt' ich wehrt /

was mich gefährt.

    Itzt ist es Mitternacht /

da alles ruht.

Mein munter Hertze wacht /

thut / was es thut.

Es denckt / von müden Thränen naß /

von ihr ohn unterlaß /

und weiß nicht was.

    Ein Krancker / der gewiß

am Tode liegt /

der tröstet sich auff diß /

was er auch kriegt.

Das ist gewiß / ich muß dahin.

Doch bleib' ich / wie ich bin /

frisch ohne Sinn.

    Erbarmens bin ich werth.

Doch klagt mich nicht /

biß daß Sie von mir kehrt

der Liebe pflicht.

Doch wird Dianens Brudern schein

eh gehn am Himmel ein /

als dieses seyn.

    Mit Gott und mit der Zeit

muß alles seyn.

Ein wechsel kehrt mein Leid

und gantze Pein.

Hat nichts / als Unbestand bestand /

So wird mein Ach zu hand

in Lust verwand.

    Habt achtung auff mein Leid /

auff meine Quahl /

Ihr / die Ihr Wächter seyd

in Amors Saal'.

Hebt alle meine Thränen auff /

und schafft mir Freude drauff

für guten Kauff.

    Ihr Sternen auch / die Ihr

vor habt geliebt /

und offtmahls / wie itzt wir /

auch wart betrübt /

Thut / wie man hat an euch gethan /

schreibt meine Seufftzer an

in Jovis Plan.

    Vergeß' ich meiner Pflicht /

ja / säum ich nur /

und halt' ich dieses nicht /

was ich ihr schwur /

So sey mir Venus nimmer gut.

So quähle sich mein Muth /

wie er itzt thut.

    Nein. Ich will feste stehn.

Sie / wie sie mir verspricht /

wird auch mir gleiche gehn

und wancken nicht.

Deß Hertzens / das sich selbst nicht schont

mit treue Treue lohnt

bin ich gewohnt.

    Glückt mirs / und sagt nicht nein /

der alles fügt /

So soll sies einig seyn /

die mich vergnügt.

Mein letztes Wort ist: Treue Pflicht.

Treu' ist es / der es spricht.

Mehr kan Er nicht.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-002455-2
Erschienen im Buch "Deutsche Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.