Paul Fleming

Muß sie gleich sich itzund stellen... (Paul Fleming)

   

    Muß sie gleich sich itzund stellen /

als wer' ich ihr unbekant;

meynt drüm nicht / ihr Mittgesellen /

daß ihr Sinn sey ümmgewand.

Ihre Treu' in unsrem Handel

die weiß gantz von keinem Wandel.

    Amor liebet solche Hertzen /

die deß Mundes Meister seyn /

die bey trauren können schertzen /

und erfreuet seyn in Pein.

Wer will Haßfrey seyn im lieben

der muß sich im Bergen üben.

    Also wenig sie sich hassen /

und nicht selber sie seyn mag /

also wenig wird sie lassen /

den / der sie zu seyn stets pflag.

Eins / das sich dem andern giebet /

liebt es / wie sichs selten liebet.

    Dennoch hat sie mich im Sinne /

hat sie mich im Auge nicht.

Nicht ists aussen / sondern drinne /

was mir ihre Gunst verspricht.

Müssen schon die Lippen schweigen;

Sie denckt doch: der bleibt mein eigen.

    Sey dir ähnlich / und verbleibe /

die du vor warst / und noch bist.

Und denck nicht / weil ich nichts schreibe /

daß mein dencken dich vergißt.

So gedenck' ich stetigs deiner /

daß ich auch vergesse meiner.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-002455-2
Erschienen im Buch "Deutsche Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.