Goetterwink (Eduard Mörike)
Nachts auf einsamer Bank sass ich im tauenden Garten,
Nah dem erleuchteten Saal, der mir die Liebste verbarg.
Rund umblueheten ihn die Akazien, duftaushauchend,
Weiss wie der fallende Schnee deckten die Blueten den Weg.
Maedchengelaechter erscholl und Tanz und Musik in dem Innern,
Doch aus dem froehlichen Chor hoert ich nur andre heraus.
Trat sie einmal ans Fenster, ich haette den dunkelsten Umriss
Ihrer lieben Gestalt gleich unter allen erkannt.
Warum zeigt sie sich nicht, und weiss, es ist der Geliebte
Niemals ferne von ihr, wo sie auch immer verweilt?
Ihr umgeht sie nun dort, o feine Gesellen! Ihr findet,
Schoen ist die Blume, noch rein atmend die Wuerze des Hains.
Duenkt euch dies Kind wohl eben gereift fuer das erste Verstaendnis
Zaertlicher Winke? Ihr seid schnelle, doch kommt ihr zu spaet.
Stirne, Augen und Mund, von Unschuld strahlend, umdaemmert
Schon des gekosteten Gluecks seliger Nebel geheim.
Blickt sie nicht wie abwesend in euren Laermen? Ihr Laecheln
Zeigt nur gezwungen die Zahnperlen, die koestlichen, euch.
Wuesstet ihr was die Schleife verschweigt im doppelten Kranze
Ihrer Flechten! Ich selbst steckte sie kuessend ihr an,
Waehrend mein Arm den Nacken umschlang, den eueren Blicken
Gluecklich der seidene Flor, luesterne Knaben, verhuellt.
- Also sprach ich und schwellte mir so Verlangen und Sehnsucht;
Kleinliche Sorge bereits mischte sich leise darein.
Aber ein Zeichen erschien, ein goettliches: nicht die Geliebte
Schickt' es, doch Amor selbst, welchen mein Kummer geruehrt.
Denn an dem Altan, hinter dem naechtlichen Fenster, bewegt sich
Ploetzlich, wie Fackelschein, eilig vorueber ein Licht,
Stark herstrahlend zu mir, und hebt aus dem dunkeln Gebuesche,
Dicht mir zur Seite, die hoch gluehende Rose hervor.
Heil! o Blume, du willst mir verkuenden, o goetterberuehrte,
Welche Wonne, noch heut, mein, des Verwegenen, harrt
Im verschlossnen Gemach. Wie schlaegt mein Busen! - Erschuetternd
Ist der Daemonien Ruf, auch der den Sieg dir verspricht.