Christian Hofmann von Hofmannswaldau

Gedancken bey auffgehender morgen-röthe (Christian Hofmann von Hofmannswaldau)

   

AUrora deine rosen blicken /

    Der purpur triefft aus deiner hand /

    Du suchst durch dieses reine pfand

Die welt und alles zu erquicken /

    Und machst die bahn von gold und nectar voll /

    Darauff dein Phöbus lauffen soll.

Ein iedes blat bey meinen füssen /

    Ein ieder vogel über mir /

    Verehret dich und opffert dir;

Und giebet uns mit lust zu wissen /

    Wie itzt dein glantz und deiner wunder pracht

    Verjagt das leid und dämpfft die nacht.

Du heist den unmuth von uns scheiden /

    Die blumen weinen dir vor lust.

    Du öffnest deine bunte brust /

In wilden püschen / thal und heiden.

    Nur die / so dir fast gleichen zierrath führt /

    Wird nicht durch deine pracht gerührt.

Corinne läst sich nicht bewegen /

    Du fäll'st ihr wüten nicht dahin /

    Sie weiß den kalten Tyger-sinn

Nicht abzuthun / nicht weg zu legen.

    Sie speiset mich mit angst und bleichem leid /

    Wie du die welt mit lieblichkeit.

Ihr harter geist weiß nicht zu biegen /

    Ihr haß der geht nicht mehr zu ruh /

    Er will stets munter seyn wie du /

Und gegen mich zu felde liegen;

    Sie macht / daß mir dein angenehmer schein

    Den blitzen ähnlich dünckt zu seyn.

Du must den kalten schnee vertreiben /

    So unter warmen bergen ist /

    Und mich zu martern hat erkiest /

Sonst kan und weiß ich nicht zu bleiben.

    Aurora wilstu wie Corinne seyn?

    Du läuffst und läst mich hier allein!

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-008889-5
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.