Gedancken bey Antretung des funffzigsten Jahres (Christian Hofmann von Hofmannswaldau)
1.
MEin Auge hat den alten Glantz verlohren /
Ich bin nicht mehr / was ich vor diesem war /
Es klinget mir fast stündlich in den Ohren:
Vergiß der Welt / und denck auf deine Baar /
Und ich empfinde nun aus meines Lebens Jahren /
Das funfftzig schwächer sind als fünff und zwantzig waren.
2.
Du hast / mein Gott / mich in des Vaters Lenden /
Als rohen Zeug / genädig angeschaut /
Und nachmahls auch in den verdeckten Wänden /
Ohn alles Licht / durch Allmacht aufgebaut /
Du hast als Steuermann und Leitstern mich geführet /
Wo man der Wellen Sturm / und Berge Schrecken spüret.
3.
Du hast den Dorn in Rosen mir verkehret /
Und Kieselstein zu Cristallin gebracht /
Dein Seegen hat den Unwerth mir verzehret /
Und Schlackenwerck zu gleichem Ertzt gemacht.
Du hast als Nulle mich den Zahlen zu gesellet /
Der Welt Gepränge gilt nach dem es Gott gefället.
4.
Ich bin zuschlecht / vor dieses Danck zusagen /
Es ist zu schlecht was ich dir bringen kan.
Nim diesen doch / den du hast jung getragen
Als Adlern itzt auch in dem Alter an.
Ach! stütze Leib und Geist / und laß bey grauen Haaren /
Nicht grüne Sündenlust sich meinem Hertzen paaren.
5.
Las mich mein Ampt mit Freudigkeit verwalten /
Las Trauersucht nicht stören meine Ruh /
Las meinen Leib nicht wie das Eys erkalten
Und lege mir noch etwas Kräffte zu.
Hielff das mich Siechthum nicht zu Last und Eckel mache /
Der Morgen mich bewein / der Abend mich verlache.
6.
Las mich die Lust des Feindes nicht berücken /
Die Wermuth offt mit Zucker überlegt /
Verwirr ihn selbst im Garne seiner Tücken /
Das der Betrug nach seinem Meister schlägt.
Las mich bey guter Sach ohn alles Schrecken stehen /
Und unverdienten Haß zu meiner Lust vergehen.
7.
Verjüng in mir des schwachen Geistes Gaben /
Der ohne dich ohn alle Regung liegt /
Las mit der Zeit mich diesen Nachklang haben:
Das Eigennutz mich niemahls eingewiegt /
Daß mir des Nechsten Gutt hat keinen Neid erwecket /
Sein Ach mich nicht erreicht / sein Weinen nicht beflecket.
8.
Hielff / das mein Geist zum Himmel sich geselle /
Und ohne Seyd und Schmüncke heilig sey;
Bistu doch / Herr / der gute reine Quelle;
So mache mich von bösen Flecken frey.
Wie leichtlich läst sich doch des Menschen Auge blenden!
Du weist / wie schwach es ist / es kombt aus deinen Händen.
9.
Denn führe mich zu der erwehlten Menge /
Und in das Licht durch eine kurtze Nacht:
Ich suche nicht ein grosses Leichgepränge /
Aus Eytelkeit / und stoltzer Pracht erdacht.
Ich wil kein ander Wort um meinen Leichstein haben /
Als diß: Der Kern ist weg / die Schalen sind vergraben.