Christian Hofmann von Hofmannswaldau

ES will die ungerathne zeit... (Christian Hofmann von Hofmannswaldau)

        ES will die ungerathne zeit /

Daß ich zwey Lippen soll verlassen

        Da tugend / lieb und freundlichkeit /

Als treue schwestern sich umfassen /

        Wo schöne rosen stehn /

        Die auch im winter nicht vergehn.

        Ich kan fast nicht von deiner hand

Den schwachen arm zurücke ziehen /

        Ich fühle wie ein strenges band

Sich mich zu fesseln will bemühen /

        Die ohren klingen mir:

        Getreuer Damon bleibe hier.

        Ich kenne meine fehler wohl /

Ich muß die schuldigkeit vermeiden /

        Ich weiß daß ich dir folgen soll /

Doch mein verhängniß heist mich scheiden /

        Mit einer solchen schuld

        Hat auch die ungedult gedult.

        Mein geist ist dir genug bekandt /

Du weist ja meine treue sinnen /

        Hätt ich dich auff das grüne land /

Wie ich gewünscht / begleiten können /

        So sagt ich gar gewiß:

        Es ist dein feld mein paradieß.

        Doch ist gleich hand und fuß nicht frey /

So weiß mein geist kein band zu nennen /

        Er reist der zeiten garn entzwey /

Und wünscht dir freudig nachzurennen;

        Mein geist wird dir allein

        Viel näher als der schatten seyn.

        Doch schwebt erbarmniß auch um dich /

So brich nicht gäntzlich mein gelücke /

        Und denck in meiner noth auff mich;

Gib mir ein halbes wort zurücke /

        Ein wort so mir beliebt /

        Und wieder neue kräffte giebt.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-008889-5
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.