Paul Fleming

Gedancken - über der Zeit (Paul Fleming)

           

Ihr lebet in der Zeit / und kennt doch keine Zeit /

So wisst Ihr Menschen nicht von / und in was Ihr seyd.

Diß wisst Ihr / daß ihr seyd in einer Zeit gebohren.

Und daß ihr werdet auch in einer Zeit verlohren.

Was aber war die Zeit / die euch in sich gebracht?

Und was wird diese seyn / die euch zu nichts mehr macht?

Die Zeit ist was / und nichts. Der Mensch in gleichem Falle.

Doch was dasselbe was / und nichts sey / zweifeln alle.

Die Zeit die stirbt in sich / und zeucht sich auch aus sich.

Diß kommt aus mir und dir / von dem du bist und ich.

Der Mensch ist in der Zeit; sie ist in ihm ingleichen.

Doch aber muß der Mensch / wenn sie noch bleibet / weichen.

Die Zeit ist / was ihr seyd / und ihr seyd / was die Zeit /

Nur daß ihr Wenger noch / als was die Zeit ist / seyd.

Ach daß doch jene Zeit / die ohne Zeit ist kähme /

Und uns aus dieser Zeit in ihre Zeiten nähme.

Und aus uns selbsten uns / daß wir gleich köndten seyn /

Wie der itzt / jener Zeit / die keine Zeit geht ein!

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-002455-2
Erschienen im Buch "Deutsche Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.