Paul Fleming

Auff Abscheiden zweyer Vertrauten (Paul Fleming)

           Sie.

    Mag auch ein größer Hertzeleidt

gefunden können werden /

als dieses / das mich dieser Zeit

zur ärmsten macht auff Erden!

Was soll ich nun beginnen?

Itzt macht er sich von hinnen!

Kein Wort / kein Kuß / kein Zähren /

kan seinem Willen wehren.

Er soll / er muß sich scheiden.

Ich muß / ich soll ihn meyden.

Ach! ach deß bittern Schmertzen /

in mein- und seinem Hertzen!

Der mich in lieben übte /

der mich liebt' und betrübte /

den ich so innig liebte /

der / Ach! der soll von mir.

 

Er.

    Ach das ists / das mein Hertze bricht!

Hör ich den Mund nicht klagen?

Seh ich die Augen weinen nicht /

die mir die meinen plagen?

O daß doch diese Stunden

schon wären überwunden!

Wol hab ich können dencken /

wie sie diß würde kräncken.

Was aber soll man machen;

kein Rath hilfft dieser Sachen.

Wir wolln nicht oder wollen;

wir müssen / wie wir sollen.

Daß ich mich itzt soll scheiden /

daß ich sie nun soll meiden /

das bringt mir gleiches Leiden;

Schatz / hörst dus / oder nicht?

 

Sie.

    Recht / Liebster / hör' ich wol die Noth /

in welcher wir itzt schweben.

Daß aber aller Trost ist todt /

das tödtet mir mein Leben.

Sollt ihr mir seyn genommen /

So bin ich ümm mich kommen;

Bin ich von euch verlassen /

So muß ich mich selbst hassen.

So werd' ich krancke müssen

mit steten Thränen fliessen.

Soll ich euch fort nicht sehen /

So ists ümm mich geschehen.

Ich kan / ich mag nicht leben.

Ich will den Geist auffgeben.

Als stets in ängsten schweben.

Und itzt / itzt fang ich an.

 

Er.

    Ich krancker ich / was mach ich nun?

Sie sinckt in Ohnmacht nieder.

Laß / Hertze / laß dein kläglich thun.

Wir sehn einander wieder.

Ach Lieb / gieb dich zu frieden /

Wir bleiben ungeschieden.

Gantz nichts nicht soll uns trennen.

Ich will dich meine nennen.

Dein werd ich unterdessen

und nimmermehr vergessen.

Mein Sinn wohnt in dem deinen /

und deiner in dem meinen.

Mein Hertze bleibet deine.

Dein Hertze bleibet meine.

Du / Schatz / du bists alleine /

die meine Seele liebt.

 

Sie.

    Ach Thyrsi / nun so sey gegrüßt

von deiner Amaryllen.

Er.

Und / Amarylli / du geküßt /

von Thyrsi / deinem Willen.

Das wiederkommen machet /

daß man deß scheidens lachet.

Sie.

Auff tausent tausent Leyden

kömmt tausent tausent Freuden.

Gott schütz dich in Gefahren.

Er.

Der woll auch dich bewahren.

Sie.

Zeuch hin; machs wol; komm wieder.

Das wünscht mit mir ein ieder.

Er.

Ach Lieb / laß ungeklaget.

Sie.

Wolan es sey gewaget.

Er.

Wolan es ist gesaget.

Beide.

Wolan / so scheiden wir.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-002455-2
Erschienen im Buch "Deutsche Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.