Paul Fleming

Auf H. Georg Glogers Med. Cand. Seeliges Ableben (Paul Fleming)

           

O Liebster / was bedeut das ungewohnte röcheln?

Die Furcht der heissen Brust? Der matten Lungen fecheln /

Das so geschwinde keicht? Ach! wo? wo läst du dich?

Dein' Augen? deinen Mund? und was noch mehr / wo mich?

Mich / deinen andern Dich? So bistu nun geflogen /

du schöne Seele du / und läßst unnachgezogen

den Leib / dein schönes Kleid / das mit so schöner Pracht

der Tugend war gestückt / und sauber ausgemacht.

Du Mund / den Venus selbst in ihre Nectar tauchet /

und dem die Gratien ihr Holdseyn eingehauchet:

Ihr Augen / die ihr mich durch euer freundlich sehn

zur Gegenliebe zwingt / nun ists ümm euch geschehn

und auch ümm euren mich. Vor hab' ich finden können /

noch meinen Landsmann / dich / du Labsal meiner Sinnen.

Ein Freund zwar / hoff' ich wol / mir anzutreffen ist:

So einer nimmermehr / wie du gewesen bist.

An dir hab' ich gehabt / ach! ach gehabt! den Zeugen

von meiner Poesie / wie sehr sie ümmzubeugen

der hagre Neid erkühnt; wie schlim er auff sie sieht /

durch dich verlacht' ich ihn. Du hubst mir das Gemüht'

je mehr zum ewig seyn. Apollo war mir günstig /

der Musicant' und Artzt / weil du mich machtest brünstig

zu seiner doppeln Kunst. Die freye Meditrin

verweiste mich durch dich zu ihrem Tempell hin /

und hieß mich ihren Freund. Wo werd' ich nun gelassen /

weil du mich so verläst? Wie auff den rauen Gassen

daß bösen Oceans ein schwacher Nachen wankt /

der keinen Bots-knecht hat / daß er den Port erlangt /

schöpfft Wasser / tauchet ein: Also gehts meinem Kane /

der nun Kunst holen soll. Ich bin auff wilder Bahne /

mein Ruder ist entzwey / mein Ancker bleibt im Stich'/

im Boden-losen Grund'. O du mein selber Ich!

Mein alles und mein nichts. Ach Liebster! war dein Name /

ders wol auch bleiben wird / so lang ein Körnlein Same

der Seelen in mir bleibt. Die Faust erstarret mir /

die Thränen schwemmen aus die Dinte vom Pappier'.

Ich kan / ich kan nicht mehr. So nim doch hin / mein Leben /

den Kuß / den letzten Kuß / den ohne wieder geben /

Ach! wers auch vor geschehn? Ich setz' auff deinen Mund /

auff deinen kalten Mund. Dis ist der letzte Bund.

So bleib' ich dir vermählt. So ewig Flemings Buhlen /

die zarte Poesie / wird seyn in Phöbus Schulen /

so soll dein hertzer Nam an allen Wänden stehn /

und mit der Ewigkeit mein Gloger untergehn.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-002455-2
Erschienen im Buch "Deutsche Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.