Andacht (Paul Fleming)
Ich lebe. Doch nicht ich. Derselbe lebt in mir /
Der mir durch seinen Todt das Leben bringt herfür.
Mein Leben war sein Todt / sein Todt war mir mein Leben /
Nur geb' ich wieder Ihm / was Er mir hat gegeben.
Er lebt durch meinen Todt. Mir sterb' ich täglich ab.
Der Leib / mein Irdnes Theil / der ist der Seelen Grab.
Er lebt nur auff den schein. Wer ewig nicht wil sterben.
Der muß hier in der Zeit verwesen und verderben /
Weil er noch sterben kan. Der Todt / der Geistlich heisst /
Der ist als denn zu spat / wann uns sein Freund hinreisst /
Der unsern Leib bringt ümm. HERR / gieb mir die Genade.
Daß dieses Leibes-Brauch nicht meiner Seelen schade.
Mein Alles und mein Nichts / mein Leben / meinen Todt /
Das hab' ich bey mir selbst. Hilffst du / so hats nicht noth.
Ich wil / ich mag / ich sol / ich kan mir selbst nicht rahten /
Dich wil ichs lassen thun. du hast bey dir die Thaten.
Die Wünsche thu ich nur. Ich lasse mich gantz dir.
Ich wil nicht meine seyn. Nim mich nur / gieb dich mir.