Paul Fleming

An H. Martin Christenien über Ableben dessen Vatern - Mutter und Schwester (Paul Fleming)

über Ableben dessen Vatern / Mutter

und Schwester.

       

    Liebster nach dem Liebsten du /

O du meiner Freunde Seele /

Gieb doch / Bruder / gieb doch zu /

daß ich mich mit dir auch quäle /

Der du in viel Todten stirbst /

und in keinem doch verdirbst.

    Ach! was ist das Leben doch /

in dem nichts als sterben lebet.

ärger ist es / ärger noch /

als der Todt der vor uns schwebet /

Der / wie sehr man nach ihm greifft /

stetigs weicht und von uns läufft.

    über das so große Leid /

daß der ungestüme Würger

nun so eine lange Zeit

gegen dich und seine Bürger

außgeübt / und noch hält an /

war dein größtes nicht gethan.

    Dein Raub aus so mancher Noth /

dein Trost / deiner Jugend Freude /

alles ist auff einmahl todt /

Ihm zur Ruh und dir zu Leide.

Deine Liebsten von der Welt

hat das strenge Recht gefällt.

    Drey auff einmahl ist zu viel.

Vater / Mutter / Schwester fallen.

Was ist deiner Hoffnung Ziel /

du betrübtster unter allen?

Eine Grufft hat sie und dich /

und den andern dich / auch mich.

    Wie ist aber ihm zu thun?

Was so hin ist kömmt nicht wieder.

Wol dem / der in sich kan ruhn /

der läßt seine Segel nieder /

wenn das Wetter hat sein Spiel /

und der Wind nicht fugen wil.

    Laß den Zeiten ihren Lauff.

Was der Himmel heißt geschehen /

das hält man vergebens auff.

Auff den Höchsten muß man sehen /

der uns dreyfach offt betrübt /

weil Er uns auch dreyfach liebt.

    Tröste dich und schau auff mich.

Ich verzeihe mich der meinen.

Heute trifft das Elend dich.

Ich vielleicht muß morgen weinen.

Bevoraus / weil ich forthin

weit von Euch / ihr lieben bin.

    Mutter Deutschland / und auch ihr /

Vater / Mutter / Schwester / Freunde /

mein / erläubet diß doch mir /

daß ihr mehr wünscht eurem Feinde /

daß ich ferner Länder Zier

unserm Meissen setze für.

    Ist mir Gott und Glücke gut /

daß ich mit gelehrten Küssen /

wie mein Opitz täglich thut /

Euch hinwieder soll begrüßen /

Denn soll meiner Verse Lust

auch bey Fremden seyn bewust.

    Meynt nicht / wie der Pöfel spricht /

Mitternacht sey gantz ohn Ehren.

Persien das habe nicht /

was uns könne Weißheit lehren.

Denckt / daß in der Barbarey

alles nicht barbarisch sey.

    Du indessen / denck' an dich /

O du Hertze voller Sorgen /

denck' an dich / und auch an mich /

und an jenen lieben Morgen /

da dein Leid und meine Pein

erst soll recht bethauret seyn.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-002455-2
Erschienen im Buch "Deutsche Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.