Muhammad Schams ad Din Hafis

Schilt nicht weinbefleckte Zecher... (Muhammad Schams ad Din Hafis)

Schilt nicht weinbefleckte Zecher,

    du mit Reinheit angetan!

Denn es werden fremde Sünden

    dir ja nicht geschrieben an.

Ob ich fromm sei oder gottlos,

    geh und sorge für dich selbst.

Weil am Ende jeder nur, was

    er gesät hat, ernten kann.

Schneide du die Hoffnung auf die

    ew'ge Gnade mir nicht ab!

Weißt du denn, wer hinterm Vorhang

    häßlich oder schön, o Mann?

Nicht zuerst bin ich gefallen

    aus der Heiligkeit Gemach,

Denn aus seinen Händen ließ das

    Paradies bereits mein Ahn.

Jeder sucht den Freund hier, ob er

    nüchtern oder trunken sei,

Und der Liebe sind Moscheen wie

    Christenkirchen aufgetan.

Hafis, wenn am Sterbetage

    du zur Hand den Becher nimmst,

Tragen sie vom Gau der Schenke

    graden Wegs dich himmelan.

(Übersetzung: Friedrich Rückert)

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-009420-8
Erschienen im Buch "Gedichte aus dem Diwan"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.