Johann Heinrich Voss

Der Herbsttag (Johann Heinrich Voss)

       

Die Bäume stehn der Frucht entladen,

Und gelbes Laub verweht ins Tal;

Das Stoppelfeld in Schimmerfaden

Erglänzt am niedern Mittagsstrahl.

Es kreist der Vögel Schwarm, und ziehet;

Das Vieh verlangt zum Stall, und fliehet

Die magern Aun, vom Reife fahl.

O geh am sanften Scheidetage

Des Jahrs zu guter Letzt hinaus;

Und nenn ihn Sommertag und trage

Den letzten schwer gefundnen Strauß.

Bald steigt Gewölk, und schwarz dahinter

Der Sturm, und sein Genoß, der Winter,

Und hüllt in Flocken Feld und Haus.

Ein weiser Mann, ihr Lieben, haschet

Die Freuden im Vorüberfliehn,

Empfängt, was kommt, unüberraschet,

Und pflückt die Blumen, weil sie blühn.

Und sind die Blumen auch verschwunden;

So steht am Winterherd umwunden

Sein Festpokal mit Immergrün.

Noch trocken führt durch Tal und Hügel

Der längst vertraute Sommerpfad.

Nur rötlich hängt am Wasserspiegel

Der Baum, den grün ihr neulich saht.

Doch grünt der

Kamp1) von

Winterkorne;

Doch grünt, beim Rot der Hagedorne

Und Spillbeern2),

unsre Lagerstatt!

So still an warmer Sonne liegend,

Sehn wir das bunte Feld hinan,

Und dort, auf schwarzer Brache pflügend,

Mit Lustgepfeif, den Ackermann:

Die Krähn in frischer Furche schwärmen

Dem Pfluge nach, und schrein und lärmen;

Und dampfend zieht das Gaulgespann.

Kamp, ein eingefriedigtes Fruchtfeld.

 

Spillbeeren, die roten Beeren des Spillbaums, Pfaffenhütlein genannt.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-002332-7
Erschienen im Buch "Idyllen und Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.