Johann Georg Scheffner

Die Feder der Liebe (Johann Georg Scheffner)

                 

 

In völliger Vertraulichkeit

Allein mit ihrem Herzensfreunde

Ließ eine Dame ganz der Lüsternheit

Den Zügel. – Nach dem Spiel, das innig sie vereinte,

Hielt sie noch mit zufriedner Hand

Den schönsten Szepter, der ein Weib noch je entzückte,

Geheimer Freuden Unterpfand,

Durch welches die Natur die Sterblichen beglückte. –

Nicht beider Welten Gold, kein Blut

Reicht hin, so einen Szepter zu erringen,

Ich würde selbst mit Löwenmut

Um ein so seltnes Kleinod ringen,

Und gäbe obendrein noch all mein Hab und Gut –

Doch wieder zu der Aventüre:

Ein andrer Herr kam ohngefähr dazu

Und sah durchs Schlüsselloch der festverschlossnen Türe

Der ganzen Szene ruhig zu.

Der Szepter wurde nun samt dem Galan entlassen,

Der Riegel leise aufgemacht,

Der fremde Herr hereingelassen,

Zu dem sogleich die Dame sagt:

»Verzeihen Sie, wenn ich Sie warten lassen,

Ich schrieb.« – »Gewiß, Sie sind sehr glücklich,

Madame«, rief jener augenblicklich,

»Daß Amor selbst zum Schreiben sie geführt,

Da Ihre Hand so schön der Liebe Feder führt.«

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-251-00169-8
Erschienen im Buch "Komm. Ziehn dich aus."
Herausgeber: Haffmans Verlag