Heinrich Seidel

Das Schwein (Heinrich Seidel)

Das Schwein

EIN HYMNUS.

Ihr Freunde, tadle keiner mich,

Dass ich von Schweinen singe!

Es knüpfen Kraftgedanken sich

Oft an geringe Dinge.

Uhland.

Längst schon trieb mich der Muse Gebot, zu singen des Schweines

Tiefempfundenes Lob, des vielfach verleumdeten Borstviehs,

Welches, dem Märtyrer gleichend, verachtet sein Leben dahinbringt,

Bis nach grausamem Tode die innere Tugend enthüllt wird,

Welches ihm nimmer was nützet und welches ihm gänzlich egal

ist.

Zwar schon sang uns sein Lob vor Zeiten der treffliche Uhland,

Pries es im Erbswurstlied der beschaulich-erbauliche Trojan,

Hat ihm ein Epos geweiht der viel belesene Herrig -

Allumfassend doch keiner erschöpfte des Schweines Bedeutung!

Darum der Menschheit Schuld zu sühnen will ich besorgt sein,

Singen dein Lob, vortreffliches Schwein, Beglücker der Menschheit.

Thörichte sind es fürwahr, Verblendete, die dich verachten,

Naserümpfend vorüber dir gehn mit dem schändlichen Ausspruch:

"Sehet das schmutzige Schwein, o welch ein Schwein ist das Schwein

doch!"

Würdigen Schrittes sich naht der vielgelehrte Präceptor,

Sorglich führt er vorüber den maulaufsperrenden Zögling,

Welchen er Tag für Tag beträufelt mit Sprüchen der Weisheit,

Gleich wie die Köchin den Braten begiesst, bis er mürbe und

gar wird.

Also spricht er, mit bleicher Nase vermeidend den Schweinsduft:

"Siehe mein Söhnchen, der Trägheit Bild und der schändlichen

Schmutzlust,

Wie es behaglich sich wälzt und Tugend und Weisheit verachtet,

Einzig mit Fressgier bedacht, wie es den wampigen Wanst fühlt!"

Theuerste Gattin, es ward mir bekannt, dass du heute bereitest

Köstliches Mahl in duftender Küche, den herrlichen Schweinskopf:

Wende, Geliebte, den Schritt zu jenem Ort, der bekannt dir,

Wo mich oftmals umfing, wenn ich ihm nahte durch Zufall,

Seltsam träumerisch Sinnen, bis dass mir im Geiste emporstieg

Manch ein tropisches Bild von Palmen und üppigem Urwald,

Wo mich ein Anhauch traf der Fremde des sonnigen Südens,

Bis es mir klar ward im Geist, es duftete so der Gewürzschrank

-

Nimm draus, theuerstes Weib, des Lorbeers trockene Blätter,

Leg' sie mit ordnender Hand um den herrlich bereiteten Schweinskopf,

Dass ihn noch zieret im Tode der Lorbeer, den er verdient hat!

Verfügbare Informationen:
Erschienen im Buch "Glockenspiel - Gesammelte Gedichte, Band VII der Gesammelten Sch"
Herausgeber: A.G. Liebeskind