Gottlieb Konrad Pfeffel

Der Maler (Gottlieb Konrad Pfeffel)

   

Zur Zeit Aesops, da bei dem Vieh

Vernunft und Witz alltäglich waren,

So wie vor etwa zwanzig Jahren

Bei Deutschlands Söhnen das Genie,

Kam eines Tags von fernen Landen

Ein Freund der Kunst, ein Pavian,

Der lang als Maler ausgestanden,

Bei seiner Väter Laren an.

Um nun die Früchte seiner Reisen

Dem König Löwen vorzuweisen,

Schuf des Artisten Zauberhand

Ein Tierstück, das den Potentaten,

Umringt von Dienern und Magnaten,

Im treuesten Naturgewand

Vor Augen stellte. Mit Vergnügen

Erkennt der Schach und jeder Stand

Des Reichs, auch in den kleinsten Zügen,

Sein Ebenbild. Der Raphael

Ward voller Huld von ihm umschlungen,

Und noch posaunten hundert Zungen

Sein Lob, als Eber und Kamel

Und Bock und Esel ihn verklagten,

Es hätte sie zum Spott der Welt

Sein frecher Pinsel, wie sie sagten,

Statt abzuschildern, ganz entstellt;

Drum wollten sie den Pasquillanten

Für diesen Spott bestrafet sehn.

Der Löwe sah die Supplikanten

Bedeutend an: ich muß gestehn,

Sprach er, hier gibt es Stoff zum Spasse.

Doch eh ich einen Spruch erlasse,

So sagt mir, schrieb der lose Wicht

Zu seinen Fratzen eure Namen?

Herr König, nein, das eben nicht. -

Ihr beißt in euern eignen Hamen,

Rief der Monarch; hat ungenannt

Ein jeder selbst sein Bild erkannt,

So hat der Maler nicht gelogen,

Und ihr allein habt euch betrogen.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-7846-0134-0
Erschienen im Buch "Biographie eines Pudels"
Herausgeber: Langewiesche-Brandt KG