Gottfried August Bürger

Gesang am heiligen Vorabend des funfzigjährigen Jubelfestes der Georgia Augusta (Gottfried August Bürger)

Jubelfestes der Georgia Augusta.

                   

   

Morgen, o festlicher Tag,

Morgen entschwebe

Herrlich und hehr der Nacht!

Komm in Titans Strahlenkranze,

Komm im blauen Aethermantel,

In des Urlichts reinstem Glanze!

So entsteige der Grotte der Nacht

Unter dem Meer!

So entschwebe dem Wogentanze

Herrlich und hehr,

Hehr und herrlich in Bräutigamspracht!

    Es harret dein

    Voll Lieb' und Lust

    Die hohe Jubelkönigin.

    Vor bräutlichem Entzücken

    Hüpft ihre Brust.

    Sie harret dein

    Mit wonneglänzenden Wangen und Blicken,

    Georgia Augusta harret dein!

Als sie vor funfzig ruhmbestrahlten Jahren,

Ein schönes Kind,

Ein wunderschönes Götterkind,

Geboren war,

Da brachten sie in dieses Tempels Halle,

Vor Gottes Hochaltar,

Ihr großer Vater und die Hochberühmten alle,

Die ihrer Kindheit Pfleger waren,

Dem Segensspender dar,

Und auf der Andacht Flügel schwang

Sich himmelan ihr flehender Gesang.

    Herr, erfülle sie mit Weisheit,

    Adle sie, o Herr, durch Schönheit,

    Rüste sie mit Heldenstärke

    Für den großen Gang zum Ziele

    Strahlender Vollkommenheit!

    Denn der Geist gedeiht durch Weisheit

    Und das Herz gedeiht durch Schönheit;

    Dieser Einklang rauscht in Stärke,

    Dieser Adel führt zum Ziele

    Dauernder Glückseligkeit.

Und als das Lied der frommen Schaar,

Das Lied der heißen Inbrunst,

Hinaufgesungen war,

Da wallte Gottes Flamme,

Sanft wallte von des Gebers Thron

Des herzlichen Gebetes Lohn,

Die Flamme, die noch nie verlosch,

Des Segens Flamm' herab auf den Altar.

    O Flamme, die vom Himmel sank,

    Entlodre hoch und weh' umher!

    Umher, umher!

    Entzünde jedes Herz umher

    Zu heißem Dank!

    Dem Geber zu unaussprechlichem Dank!

Der königliche Herrscher auf dem Thron

Von Albion

Trat väterlich herzu und gab

Ihr reichlich mildes Oel zur Nahrung.

Wetteifernd trat herzu die Schar

Der Pfleger und der Priester am Altar,

Der sie zu heiliger, zu ewiger Bewahrung

Von Gott und König anbefohlen war,

Und hütet' ihrer gegen jegliche Gefahr,

Hinwegzulöschen oder sich zu trüben,

So gegen den wild stürmenden Orkan

Des Krieges als des Neides leise Pest.

Gleich Jener in der Vesta Heiligthume,

Erhielt getreue, rege Wachsamkeit

Die heil'ge Lohe rein und schön

Und hoch vom Anbeginn bis heut.

    Himmelslohn euch, große Seelen,

    In der Ruhe Heiligthum!

    Ewig Heil euch, ewig Friede!

    Hier auf Erden tön' im Liede

    Nun und immerdar eu'r Ruhm!

Erwärmt von Gottes Segensflamme, wuchs,

Münchhausen, du Unsterblicher,

Wuchs deine Tochter schnell und hoch heran.

Des Ruhmes starker Adlerfittich trug

Laut rauschend ihren Namen

Rund um den Erdball über Meer und Land

Und seiner edlern Völker Söhne kamen

Bei Tausenden zur Huldigung.

Viel theilte sie von ihres Reichthums Fülle

Und viel von ihres Adels Hoheit,

Viel Muth und Kraft zu Thaten –

So war es in der Weihe ihr verliehn –

Zum Heil der Völker mit.

    Selig, selig, himmelselig

    Ist das hocherhabne Amt,

    Auszuspenden, gleich der Sonne,

    Durch den großen Raum der Welten,

    Ins Unendliche des Geistes

    Lebensnahrung, Licht und Kraft!

    O wie hoch und herrlich strahlet

    Des Triumphes Majestät,

    Wann der Held des Geistes Chaos

    Und des Chaos Ungeheuer,

    Brut der Barbarei, besteht

    Und zum Rechtes seines Adels

    Den gepreßten Geist erhöht!

Georgia Augusta, schön und stark,

Voll Lebensgeist und Mark,

Mit Athenäens Rüstung angethan,

Ging tadellos bis heut der Ehre Bahn

Und stritt des Ruhmes Streit

Mit ungeschwächter, rascher Tapferkeit.

Nun steht sie, lehnt sich ruhend auf den Speer

Und darf – das zeuge du, Gerechtigkeit! –

Getrost zurück auf ihre Thaten schaun.

Des Kampfes Richter nehmen mild und schmeichelnd

Nun zur Erholung ihr die Waffen ab

Und kleiden sie in festliches Gewand

Für ihren ersten Jubelfeiertag.

        Triumph! Des Tages Ehrenkönigin

        Erhebt ihr Haupt!

    Sie trägt ihr hohes Götterhaupt,

    Sie trägt's mit Laub und Blumen,

        Laut rauschend,

        Süß duftend,

    Süß duftend mit lieblichen Blumen,

    Laut rauschend mit Laube des Ruhms umlaubt!

Wer aber führt den schönen Sohn der Zeit,

Wer führt herauf von Osten

Den hellen Ehrentag,

Den lauten Wonnebringer?

Wer führt der schönen Jubelbraut

Den Jubelbräutigam nun zu?

Wer weihet zur Unsterblichkeit sie ein? –

Wer sonst, als ihres großen Vaters Geist

Und ihrer heimgewallten Pfleger Geister,

Die jetzt, von Gott dazu ersehn,

Ihr unsichtbare Lebenswächter sind?

Hebe dich himmelan, Weihegesang,

Hoch in die Heimat der seligen Schaar!

Zeuch der großen Heimgewallten

Geister zum Feste der Tochter herab!

Schwebe herunter, wir rufen dich laut,

Schwebe vom Himmel, unsterbliche Schaar!

Freue dich der Ruhmbekränzten,

Hoch in der Blüte der Schönheit und Kraft!

Führt, ihr Verklärten, in Bräutigamspracht,

Führet den Freudenerwecker ihr zu!

Strömt auf ihre Kraft und Schönheit

Segen der ewigen Jugend herab! –

Merkt auf! Sie haben's vernommen,

Die schützenden Geister! Sie kommen!

Sie führen den glänzenden Bräutigam an!

Schon wehet der heilige Schauer voran.

Schlagt hoch, ihr lodernden Flammen

Der Herzen und Lieder, zusammen!

Führt, Orgel und Pauke, mit festlichem Klang

Entgegen des frohen Willkommens Gesang!

Verfügbare Informationen:
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.