Gottfried August Bürger

An den Apollo (Gottfried August Bürger)

Zur Vermählung meines Freundes, des Herrn

Doctor Althof, mit der Demoiselle Kuchel.

Am 17. Mai 1789.

       

Gott der goldnen Leier, gib, daß heut

Meiner Brust ein schönes Lied entschalle,

Das durch Wahrheit und durch Herzlichkeit

Deinen edeln Enkeln wohlgefalle!

Alles, was uns deine Gottheit gab,

Hat ein Recht an unsern Huldigungen,

Und der Menschenhelfer Aesculap

Ist aus deiner Vaterkraft entsprungen.

Du vertrautest ihm die Wissenschaft,

Die dein hoher, heller Geist erfunden,

Aller irdischen Naturen Kraft

Zu dem Heil der Menschen auszukunden.

Deine hochgebenedeite Kunst

Ward den Hippokraten und Galenen.

Dieser achtet deiner Musen Gunst

Werth, vor tausend Wissern zu bekrönen.

Wohlgerüstet geißelt ihre Hand

Unsers Leibes Furien von dannen;

Darum sind sie auch mit uns verwandt,

Deren Lieder Seelengeier bannen.

Unter allen, die vom Anbeginn

Sich zu deinem Götterstamm bekannten,

Blicken wir mit brüderlichem Sinn

Ehrend auf die edeln Mitverwandten.

Sie auch, großer Ahnherr, sind noch nicht

Von uns abgefallen und entartet;

Plunderweisheit hat ihr Angesicht

Nicht also berußt und lang bebartet,

So sie nicht des reinern Sinns beraubt,

So noch nicht entwöhnt von deinem Schönen,

Daß sie dünkelhaft dein goldnes Haupt,

Deine glatten Jugendreize höhnen.

Ihrer Besten viele lockten gern

Selbst aus deinen Saiten süße Klänge.

Herrlich strahlt, ein großer schöner Stern,

Haller, durch unsterbliche Gesänge.

O, ich könnt' ein langes Feierlied

Von den größten deiner Enkel singen,

Die mit Flammeneifer sich bemüht,

Deines Kranzes Ehren zu erringen.

Tausend nennte leicht noch mein Gesang,

Tausend Derer, so die Leier ehrten

Und auf ihren segenreichen Klang

Mit des Herzens stummer Wonne hörten.

Drum erleuchtet sie auch die Vernunft,

Darum adelt sie auch deine Gnade;

Süßer träuft in keiner Bärtlerzunft

Lipp' und Kiel vom Honigseim der Suade.

Einer aber bliebe nicht mit Recht

Heut in deines Sängers Brust verschlossen.

Einen Mann, aus Aesculap's Geschlecht

So zur Ehre wie zum Glück entsprossen,

Einen Derer, welche hoch und kühn

Zu des Harfners Freuden sich bekennen,

Diesen Einen, Vater, laß mich ihm

Laut aus meines Herzens Fülle nennen.

Daß du mild ihn segnest, nenn' ich dir

Meines Althof's lieben, theuren Namen.

Dieser rühmt sich brüderlich mit mir,

Geisterfürst, aus deinem Göttersamen.

Mir entgegen wallt sein Bruderherz,

Mir im Trauer- wie im Freudenkleide.

Balsam gießt er oft mir in den Schmerz,

Würze streuet er in meine Freude.

Sieh, der Freundliche bekränzet heut

Mit der Liebe Myrte seine Haare.

Wunsch und Ahnung hoher Seligkeit

Tanzen vor ihm hin zum Weihaltare.

Ihn begleitet eine süße Braut,

Die sein Herz vor Allen auserkoren.

Ihre stummsten Blicke sagen laut,

Er, nur er sei ihr auch angeboren.

Hymen, Phöbus, stammet auch von dir;

Auf! Gebiete deinem schönsten Sohne,

Daß er diesen wackern Bruder mir

Mit der Fülle seines Segens lohne!

Ihn, der wie ein Held mit Schwert und Speer

Tausend Erdenleiden niederstreitet!

Wer verdient der Freude Becher mehr

Als der Mann, der Andern ihn bereitet?

Verfügbare Informationen:
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.