Laendliche Kurzweil (Eduard Mörike)
[An Constanze Hartlaub]
Um die Herbstzeit, wenn man abends
Feld und Garten gerne wieder
Tauschet mit dem waermern Zimmer,
Bald auch schon den lang verschmaehten
Ofen sieht mit andern Augen,
Jetzo noch zweideutigen:
Haben wir hier auf dem Lande
Noch die allerschoensten Stunden
Muessig halb und halb geschaeftig
Plaudernder Geselligkeit.
Juengst so waren wir am runden
Tisch versammelt um die Lampe.
Eine Freundin, aus der Ferne
Neulich bei uns angekommen,
Sass, ein holder Gast, im Kreise.
Abgetragen war das Essen,
Nur das Tischtuch musste bleiben.
Reinliche Gefaesse vor sich
Eiferten die guten Frauen,
Wer des vielkoernigen Mohnes
Groessern Haufen vor sich bringe;
- Weissen hatten wir und blauen -
Emsig klopften, unbeschadet
Des Gespraeches, ihre Messer,
Waehrend ich, zunaechst dem Lichte,
In den Haller Jahresheften
Blaetterte und hin und wieder
Einen Brocken gab zum besten.
"Lassen Sie sich das erklaeren!"
Sagt ich, zu dem Gast gewendet:
"Wer in Schwaben einen neuen
Rock an hat zum ersten Male,
Muss von Freunden und Bekannten
In das neue Taschenfutter
Einen blanken Kreuzer haben;
Und so ward mir, laendlich sittlich,
Auch der meine vorgen Sommer
Fuer den huebschen Schlafrock, eben
Den man gegenwaertig sieht.
Jenen Morgen nun erging ich
Guten Mutes mich im Garten,
Tat auch wirklich wie sie sagt,
Doch was ich dabei mir dachte,
Muss ich wohl am besten wissen.
Ein Orakel sollt es sein,
Das der Herbst erproben wuerde:
Bringt die Kolbe blauen' Samen,
Ist der liebe Gast nicht kommen;
Bringt sie weissen, wird er da sein
Eben wenn man sie eroeffnet;
Und um sie genau zu zeichnen
Legt ich jene Muenze ein.
Aber bald war dieses alles
Bis den Augenblick vergessen.
Und nun seht -"
"Nichts!" rief die Schwester:
"Nein, ich lasse mirs nicht nehmen,
Spekulieren wolltest du!
Und der Fall beweist nur wieder,
Was oft, dich in Schutz zu nehmen,
Andere mit mir bezeugten:
Dass mein teuerster Herr Bruder
Bei dem allerbesten Willen
Zum Kapitalisten eben
Einmal nicht geboren ist."