Erbauliche Betrachtung (Eduard Mörike)
Als wie im Forst ein Jaeger, der, am heissen Tag
Im Eichenschatten ruhend, mit zufriednem Blick
Auf seine Hunde niederschaut, das treue Paar,
Das, Hals um Hals geschlungen, bruederlich den Schlaf,
Und schlafend noch des Jagens Lust und Muehe teilt:
So schau ich hier an des Gehoelzes Schattenrand
Bei kurzer Rast auf meiner eignen Fuesse Paar
Hinab, nicht ohne Ruehrung; in gewissem Sinn
Zum ersten Mal, so alt ich bin, betracht ich sie,
Und bin fuerwahr von ihrem Dasein ueberrascht,
Wie sie, in Schuhn bis ueberm Knoechel eingeschnuert,
Bestaeubt da vor mir liegen im verlechzten Gras.
Wie manches Lustrum, ehrliche Gesellen, schleppt
Ihr mich auf dieser buckeligen Welt umher,
Gehorsam eurem Herren jeden Augenblick,
Tag oder Nacht, wohin er nur mit euch begehrt.
Sein Wandel mochte toericht oder weislich sein,
Den besten Herrn, wenn man euch hoerte, trugt ihr stets.
Ihr seid bereit, den Unglimpf, der ihm widerfuhr,
- Und waere sein Beleidiger ein Reichsbaron -
Alsbald zu strafen mit ergrimmtem Hundetritt
(Doch hiefuer hat er selber zu viel Lebensart).
Wo war ein Berg zu steil fuer euch, zu jaeh ein Fels?
Und gluecklich immer habt ihr mich nach Haus gebracht;
Gleichwohl noch nie mit einem Woertchen dankt ich euch,
Vom Schoensten was mein Herz genoss erfuhrt ihr nichts!
Bleibt mir getreu, und altert schneller nicht als ich!
Wir haben, hoff ich, noch ein schoen Stueck Wegs vor uns;
Zwar weiss ichs nicht, den Goettern sei es heimgestellt.
Doch wie es falle, lasst euch nichts mit mir gereun.
Auf meinem Grabstein soll man ein Paar Schuhe sehn,
Den Stab darueber und den Reisehut gelegt,
Das beste Sinnbild eines ruhenden Wandersmanns.
Wer dann mich segnet, der vergisst auch eurer nicht.
Genug fuer jetzt! denn dort seh ichs gewitterschwer
Von Mittag kommen, und mich deucht, es donnert schon.
Eh uns der Regen uebereilt, ihr Knaben, auf!
Die Steig hinab! zum Staedtchen langt sichs eben noch.