An Heinrich von Reder (Detlev von Liliencron)
Heut mit meinen beiden Teckeln ging ich
Den gewohnten Abendgang ins Freie.
Ein Dezembertag verkroch sich totstill
In den Sack der Nacht, den großen, dunklen.
Wie vergilbte Regenbogenfarben
Liegen helle Streifen noch im Westen,
Langgestreckte, schmelzend, schon vermischte.
Drei, vier Kiefern, so weit auseinander,
Daß sie grad' den Arm sich reichen können,
Mit den Fingerspitzen sich berühren,
Trennen scharf sich ab vom blassen Himmel.
Über ihnen steht die milde Venus.
Zwischen Stern und Bäumen ziehen ostwärts
Flügelschwere, müde Krähenschwärme.
Überschwemmte, eiserstarrte Felder
Spiegeln fern des Lichtes letzten Schein.
Wie, wenn du mir nun entgegenkämest,
In Begleitung deiner beiden Teckel.
Während dann die kleine Dachselsippschaft
Munter unter sich Begrüßung hielte,
Eilt' ich auf dich zu, und stürmisch bät' ich:
Gib mir, laß mir deine lieben Hände,
Laß mich dir ins Dichterauge schaun.
Doch du kamst nicht, und ich schritt nach Hause,
Grüße dir aus meinem treuen Holstein,
Aus der Einsamkeit, der ungeheuren,
Meiner winterstummen Heide sendend.
Grüße schickt dir auch der alte Odin,
Den ich gestern traf am Meeressaume.
Eine umgekehrte Bratenschüssel
Schien er auf dem Haupt als Hut zu tragen.
Hugin, Munin, ihm die Schultern schmückend,
Sträubten eifersüchtig ihre Federn,
Weil er mich nach Neuigkeiten fragte;
Welche Bücher dieses Julfest lägen
Unsern Deutschen unterm Tannenbaume.
Als ich's ihm, so gut ich konnte, kundgab,
Sprach er: Ich empfehle mich gehorsamst.
Und er sprang auf eine graue Scholle,
Die sich, schiebend, knirschend, malmend, bröckelnd,
Langsam kreisend, uns vorüberdrängte,
Und verschwand im allerdicksten Nebel.
Ganz zuletzt noch schaut' ich Hugin, Munin
Wie zwei schwarze Punkte im Geriesel -
Grüße hißt dir auf mein finstrer Strand,
Grüße, Grüße in dein Alpenland.