Christian Hofmann von Hofmannswaldau

TrauerGedicht bey Absterben eines vertrauten Freundes (Christian Hofmann von Hofmannswaldau)

           

MEin Freund wo ist die Zeit da unsre grüne Jugend

    Die AnmuthsBluhmen brach und FreundschaftsAepfel laß /

    Als ich nicht weit von dir als Schul-Geselle saß /

    Erquicket durch den Saft der Wissenschaft und Tugend?

    Wir lebten dazumahl in einer süssen Ruh /

    Und schauten unberührt dem Weltgetümmel zu /

    Es machte Krieg und Pest uns gar geringen Schrecken.

    Die Einfalt hieng uns Schild und Giftbedämpfung an /

    Wir liessen KriegesRuff uns schlechte Furcht erwecken /

    Und zeigten wie man auch bey Unruh ruhen kan.

Es war der Glockenklang bey etzlich tausend Leichen

    Uns ein gemeiner Schall / wir dachten / daß die Pest

    Wie grausam sie auch scheint noch Menschen übrig läst /

    Daß Glutt und Kugeln nicht durch iede Häuser streichen /

    Es war uns Troja mehr als Mantua bekandt /

    Und mehr das alte Rom als Eng- und Niederland /

    Es war uns Elb und Rein ein unbekanntes Wesen /

    Was bildeten wir uns nicht von der Tiber ein?

    Und was wir von Athen und von Corinth gelesen /

    Hieß Londen und Pariß geringe Flecken seyn.

Wir schmeckten dazumahl den Frühling unsrer Jahre /

    Der kleinste Garten war vor uns ein Paradieß /

    Wir dachten das die Luft nur Rosen auf uns bließ /

    Es war der Bezoar uns unbekante Wahre.

    Auf unsrer Seiten gieng fast nichts als Freudigkeit /

    Vertrauligkeit und Lust verkürtzten uns die Zeit /

    Kein Unmuth kont in uns die FreudenCircul stören /

    Wir hielten Ja und Nein vor unsern grösten Schwur /

    Wir liessen keinen Glantz und Fürnüß uns bethören

    Und suchten nur allein der Einfalt reine Spur.

Verdacht und Argwohn war entfernt von unsren Sinnen /

    Betrug das war vor uns ein Wort der neuen Welt /

    Ein Quintlein reiner Lust war unser LagerGeld /

    Kein Irrlicht fauler Brunst hat uns verleiten können /

    Ein Einfaltreiner Schertz war unser Zeitvertreib /

    Kein Schmuck deckt unsren Geist / kein Gold druckt unsren Leib /

    Glaß und auch Diamant war uns von gleicher Würde /

    Es hielt die Redligkeit den Hoff auf unsrer Brust /

    Es druckt uns dazumahl noch keine SorgenBürde /

    Kein Eyfer und Verdruß verpfeffert uns die Kost.

Doch dieser Garten trug nicht süsse Lagerfrüchte /

    Verstand und Zeit zubrach das Wohnhaus unsrer Lust /

    Viel frembde Regungen beschwungen Geist und Brust /

    Und machten unser Thun wie leichten Schnee zunichte /

    Wir lernten daß der Zeug der Welt nicht Farbe hält /

    Daß Freud' als Stroh verstaubt / und Gunst wie Glaß zerfällt /

    Der Eydschwur nicht genung der Menschen Treu verbindet /

    Das keine Stunde recht der andern ähnlich ist /

    Daß sich Verdruß und Tod in Lust und Kost befindet /

    Und man bey Salbey Gift und Molchen hat erkiest.

Es kitzelt' uns ein Trieb die frembde Luft zuschauen /

    Im reisen suchten wir das allerhöchste Gutt /

    Der Zeug' entfernt zuseyn bewegt uns Geist und Blut /

    Wir meinten dar und dort ich weiß nicht was zubauen /

    Wir bildeten uns ein / daß Weisheit und Verstand

    Uns nicht gewehret wird als nur durch frembde Hand /

    Daß nur der Künste Kern in frembden Schalen stecket /

    Daß andre Luft uns mehr als unsre witzig macht /

    Daß dieser Himmel nicht des Geistes Kraft erwecket /

    Und die Natur allein in frembden Orten lacht.

Und diese HertzensLust war endlich auch gebüsset;

    Die alte Meisterin der Menschligkeit / die Zeit /

    Bewieß / daß der Genieß mit Eckel diß bestreut /

    Was uns die HoffnungsHand alleine hat versüsset.

    Wir schauten daß das Feld so Kunst und Weißheit hegt /

    Auch Wolfsmilch fauler Lust und FeindschaftsNesseln trägt /

    Daß fremde List sich auch zu fremden Sprachen setzet /

    Daß von der Zierligkeit oft Treu und Glauben weicht /

    Und manches schöne Land / so uns zusehr ergötzet /

    Vor reine Lilien auch Kröten überreicht.

Wir kamen / du von Nord / und ich von Ost zurücke /

    Das scharffe KriegesSchwerd verschrenckt uns unsern Lauff /

    Die allgemeine Noth hub unsre Reisen auff /

    Wir schauten nichts vor uns als jammerreiche Blicke /

    Wir funden manche Stadt in Ziegelgrauß verkehrt /

    Das Feld unangebaut die Dörffer gantz verhert /

    Dem Pfluge war verwehrt den Acker zu bestreichen /

    Und solcher Anblick bließ uns diese Wörter ein:

    Der MenschenLeben ist den Büchern zuvergleichen /

    Da schwartzer Noten viel / und weiser wenig seyn.

Wir dachten / daß die Zeit so uns mit Feuer dreuet /

    So mit dem Donner schreckt und alles traurig macht /

    In einem Augenblick aus trüben Wolcken lacht /

    Und durch den Gegenschein der Wolfahrt uns erfreuet.

    Daß vieler Wochen Angst durch Freude kan vergehn /

    Daß Lust und Unlust hier in stetem Wechsel stehn /

    Daß dieser Welt Verdruß sich endlich läst vertreiben:

    Die Hoffnung bleibet doch das Labsal unser Noth:

    Weil wir in Pilgramschaft des Lebens müssen bleiben /

    So reicht die Hoffnung uns das beste ReiseBrodt.

Wir liessen uns allso den Schluß des Himmels leiten /

    Der uns geführet hat durch Berge See / und Land /

    Wir unterworffen uns desselben starcken Hand /

    Die uns alleine kan den Ehrenstul bereiten.

    Wir lachten manchesmahl bey nicht zu gutem Spiel /

    Wir dachten wer verkehrt / diß / was der Himmel wil?

    Wir liessen die Geduld des Geistes Pflaster werden /

    Das Wetter schauten wir mit steiffen Augen an /

    Wir wusten das der Blick von traurigen Geberden

    Uns nur verächtlich macht / und nichts verbessern kan.

Es mehrten dergestalt sich auch zugleich die Jahre /

    Doch mit Verminderung der Freudigkeit und Ruh /

    Es wuchs uns nach und nach der Kräften Abfall zu.

    Das Alter bleibet doch der Aufboth zu der Bahre.

    Die Sorgen bauten auch ihr Zeughauß bey uns auf /

    Der Freudigkeit verschloß der Unmuth ihren Lauff /

    Die Kranckheit zeigte sich in Lenden / Haubt und Beinen /

    Es war vor uns nicht mehr ein gantzer Feyertag

    Es plagten dich und mich nicht selten Sand und Steine /

    Doch mehr der Sorgen-Grieß / so uns im Geiste lag.

Die Nacht von der Natur zur Ruhzeit uns geschencket /

    So fast der gantzen Welt Entledigung verspricht /

    Schloß uns die Augen zwar / doch unsern Kummer nicht /

    Wie hat bey kurtzem Schlaff uns mancher Traum gekräncket?

    Die Nacht ist ins gemein der Angst Vergrössungs-Glaß /

    Viel wachte bey uns auf / was sonst entschlaffen saß.

    Wie manches Trauerspiel entspann sich in Gedancken /

    Wir seufzten biß das Licht der goldnen Sonne schien /

    Sie rieß uns der gestalt zwar aus der Nächte Schrancken /

    Doch nahm sie nicht ein Loth von unsrem Kummer hin.

So taumeln wir mein Freund auf dieses Lebens Wegen /

    Biß uns der Wolfahrt Ost und unsrer Sorgen West /

    So man das Sterben heist aus schweren Fesseln läst /

    Und unser Fuß entweicht den Dornen-reichen Stegen.

    Wer ist es der allhier der rechten Ruh geneust /

    Eh als des Todes Hand ihm seine Lippen schleust /

    Und läst uns in die Schoß der alten Mutter kommen?

    Dann diß / was uns alhier / Aug / Ehr und Mund erfreut /

    Heist zu dem Morgengruß auch bald den Abschied kommen /

    Und ist mit Gall erfüllt und Wehmuth überstreut.

Du hast numehr den Port der rechten Ruh erreichet /

    Bist aller Noth befreyt / und deines Lebens Kahn

    Befällt kein harter Sturm und greift kein Wetter an /

    So uns von Ost und West bey Tag und Nacht bestreichet /

    Kein kalter Kummer-Wind / kein heisser Donnerschlag /

    Beblitzet dir die Nacht / verdunckelt dir den Tag /

    Du lebst numehr befreyt vor Jammer / Angst und Schrecken /

    Die Sonne wil dir nicht wie vormahls untergeh'n /

    Dich wil die Sicherheit mit ihrem Schilde decken /

    Und nichts als Freudigkeit an deiner Seite stehn.

Die deutsche Redligkeit / die Anmuth der Geberden /

    Die edle Fähigkeit / der Dinge Wissenschaft /

    Der Zunge Fertigkeit / der Feder Wunder-Kraft /

    Kan nicht wie Haut und Bein zu dünnem Staube werden.

    Dein Angedencken lebt in tausend Menschen Geist /

    So diß der Afterwelt zuschencken sich befleist /

    Dein EhrenRuhm entreist des Todes festem Netze /

    Er steiget über sich / kennt nicht den Sturm der Zeit /

    Ist niemahls unterthan der Sterbligkeit Gesetze /

    Und ist der Seelen gleich von ihrem Spruch befreyt.

Du bleibest beygesetzt in deiner Freunde Hertzen /

    Die Ehrensäule hat die Tugend dir gestift /

    Dein From und Redlichseyn wird dir zur Grabeschrift /

    Und keine Zeit verlescht die hellen EhrenKertzen.

    Was Zung' und Feder hat vor Rath und Stadt gethan /

    Macht daß man deiner nicht so bald vergessen kan /

    Man wird dein Ehrenlob den späten Zeiten zeigen /

    Weil in der Erdenschoß der Moder dich zerfällt /

    So wird dein TugendRuff der Sonne gleiche steigen /

    Wo das gestirnte Heer so fleißig Wache hält.

Die Tugend balsamirt der Menschen Angedencken /

    Das Opium der Zeit schläft auch nicht alles ein /

    Der gute Leumundt weiß von keinem Grabestein /

    Und läst sich nicht so leicht als Haut und Bein versencken.

    Die Säulen durch den Geist der Menschen aufgericht /

    Frist nicht der Jahre Frost / zermalmt das Alter nicht.

    Des Wolverhaltens Baum läst keine Blätter fallen /

    Es trotzt sein edler zweig die rauhe WintersZeit /

    Er scheuet keinen Reif und keines Donners Knallen /

    Und seine Früchte seyn ein Bild der Ewigkeit.

Kan gleich dein Nahme nicht der Sternen Rey vermehren /

    Kan er dem Perseus nicht nechst an der Seite stehn /

    Und neben dem Mercur nicht auf und nieder gehn /

    Sol deiner Strahlen Glantz nicht Mohrenland verehren /

    So schadet dieses nicht / das hat der Heyd erdacht /

    So Dieb' und Mörder oft zu Gott und Sternen macht.

    Der Sternen goldnes Haubt wird Assig übersteigen /

    Es schmeltzt Orion doch durch jenem letzten Brand /

    Und wann kein Cepheus mehr sich wird im Himmel zeigen /

    So bleibt dein Nahme noch verwahrt in Gottes Hand.

Mein Freund bleib wo du bist / geneuß der süssen Stunden /

    Dein edle Seele schaut der Strahlen Uberfluß /

    Vor der die Sonne selbst verdunckelt werden muß /

    Und ohne derer Licht sich hat kein Licht gefunden.

    Vor Galle schmeckst du itzt / die süsse HimmelsKost /

    Vor KummerDorn umschleust dich Rosensanfte Lust /

    Du fühlst nicht mehr den Sturm der Wundertrüben Zeiten /

    Mein Freund bleib wo du bist / dich stöst kein Unfall an /

    Du kanst auf Lilien und Tuberosen schreiten /

    Wol dem / der diese Welt / wie du / verwechseln kan.

Allso begleit ich nun des Liebsten Freundes Bahre /

    Und mich begleitet nichts als Unmuth und Verdruß /

    Dadurch die Menschligkeit sich meistern lassen muß /

    Und immer schwerer wird bey Wachsthum unsrer Jahre.

    Den Zucker dieser Welt hab ich genung geschmeckt /

    Ich weiß das vielmahls Gift in süssen Mandeln steckt /

    Das Frucht und Bäume seyn umzirckt mit gelben Schlangen /

    Der Grundstein unsrer Lust ist nichts als Schminck und Schein /

    Ich lasse dieser Welt ihr Reichthum und ihr Prangen /

    Und wüntsche halb bey Gott und halb verscharrt zuseyn.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-008889-5
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.