Christian Hofmann von Hofmannswaldau

MEin hertze schmeltzt in einer stummen glut... (Christian Hofmann von Hofmannswaldau)

    MEin hertze schmeltzt in einer stummen glut /

Kein funcke soll aus meinen adern steigen /

Dem rauche selbst verbeut man sich zu zeigen /

    Und schweigen meistert mein erhitztes blut.

Es heist mich die natur ein schönes auge suchen /

Und das gesetze will auff meine regung fluchen.

    Soll denn ein kuß / ein unbefleckter schertz /

Ein süsser blick sünd und verbrechen heissen?

Soll ich denn selber mich mir nun entreissen?

    Der himmel kennt der menschen sinn und hertz.

Lieb ist des himmels kind / es wird ja unsre flammen /

Als dieberey und mord / der himmel nicht verdammen.

    Wer ist doch / der sich selbst entmenschen kan?

Wir wissen uns hier nirgends zu verklären /

Des fleisches kan das fleisch sich nicht erwehren /

    Die menschlichkeit klebt menschen stündlich an.

Die engel liessen sich im himmel abwerts treiben /

Wie sollen menschen doch auff erden engel bleiben?

    Soll Sylvia vor mir verschlossen seyn?

Verbotne frucht ist mehr als doppelt süsse;

Der neben-weg reitzt mehrmahls unsre füsse /

    Die wollust wächst auch aus gefahr und pein.

Diß ist die süsse nuß so schwer ist auffzubrechen /

Die rose wird geliebt ob gleich die dörner stechen.

    Ach / Sylvia! Ich weiß nicht / wo ich bin!

Es soll kein mensch mein heisses übel kennen /

Ich armer darff nicht meine kranckheit nennen /

    Die richt-sucht nimmt uns blüt und früchte hin.

Getreue Sylvia / hab ich genade funden /

So schau / ach schaue doch! in meine tieffe wunden.

    Es soll alsdenn ein amber-reicher kuß /

Der sich genetzt in moschus und rubinen /

Vor julep uns in dieser hitze dienen.

    Wo bleibst du doch / O süsser überfluß!

Ich weiß / die liebe wird zu lachen hier beginnen /

Indem zwey zungen nicht vor liebe reden können.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-008889-5
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.