Christian Hofmann von Hofmannswaldau

Der aus dem Himmel verbante Cupido (Christian Hofmann von Hofmannswaldau)

             

DEr kleine Wunder-Gott / der Meister meister Hertzen /

    Der zuvermählen weiß die Schmertzen mit dem Schertzen /

    Und unsre Thränen ihm vor seinen Balsam hält /

    Der ward so bald er nur aus Mutter-Leibe kommen /

    Auch in die Bürgerschafft des Himmels aufgenommen /

    Und als ein kleiner Gott den Göttern zugesellt.

Der grosse Jupiter der nahm ihn auf die Armen /

    Die stoltze Juno ließ ihn auf der Brust erwarmen /

    Die reine Suada sprach ihm selbst die Wörter für /

    Diana lehret ihn den ersten Bogen führen /

    Mars wolt ihn alsobald mit einem Helme zieren /

    Nur die Minerva sprach: Mein gröster Feind ist hier.

Die Götter ehrten ihn mit mehr als tausend Küssen /

    Man schaute nichts als Lust umb seine Lippen flüssen /

    Sein helles Auge war ein Thron der Freundligkeit

    Sein schreien konte selbst den Nectar süsse machen /

    Saturnus muste stets des klugen Kindes lachen /

    Ja auch die Trauersucht war durch sein Spiel erfreut.

Doch wolte dieses Lob nicht lange hir bekleiben /

    Die Boßheit kam den Ruhm der Anmuth zuvertreiben /

    Sein Schertzen roch nach List / sein Spiel nach Büberey /

    Auf allgemeinen Ruhm kam allgemeines klagen /

    Ein ieder wust ihm itzt was böses nach zusagen /

    Und der Beschwernüß war auch nicht der Vater frey.

Bald miste Cynthia den allerbesten Gürtel /

    Den Parcen den verschob er manchesmahl die Wirtel /

    Den Ganymedes nannt er oft ich weiß nicht wie /

    Der Mutter Tauben selbst berupft er Schwantz und Flügel /

    Der Juno träuft' er Wachs auf ihren besten Spiegel /

    Und keine Göttin war so sehr geplagt als sie.

Den weiten Thierekreiß besucht er alle Wochen /

    Da ließ die Mutter ihn oft allenthalben suchen /

    Hier that er Vieh und Mensch viel tausend Schalckheit an /

    Er wolt einmahl dem Krebs die eine Scheere rauben /

    Der Juno sie verkehrt zusetzen auf die Hauben /

    Die weil sie seine List der Mutter kund gethan.

Diß und der gleichen kam dem Jupiter zu Ohren /

    Der Lieb und auch Gedult nun allbereit verlohren /

    Er sprach / der kleine Schalck der muß vertrieben seyn /

    Er dürfte mir einmahl die Donnerkeul entführen /

    Und seine schlaue Hand mit einem Zepter zieren /

    Für dem sich itzund bückt der goldne SonnenSchein.

Er ließ den Himmel bald sein strenges Urtheil wissen /

    Mercurius ruft aus der Ertz-Gott ist befliessen

    Zuzeigen / daß sein Grimm wie Blitz und Brand verzehrt

    Er wil den kleinen Gott der sich Cupido nennet /

    Und dessen Büberey der gantze Himmel kennet /

    Verbannen und ihm sey hiermit das Reich verwehrt.

Die Venus zog den Bann ihr treflich zu Gemüthe /

    Sie sagte bey sich selbst / so sol ich mein Geblüthe /

    Das Göttlich ist wie ich / ja meiner Sinnen Lust

    Von mir gerissen sehn; was soll ich aber machen?

    Es wird der Jupiter nur meiner Thränen lachen /

    Diß naget mir das Hertz und ängstet meine Brust.

Sie rufte bald den Sohn / sie ließ bey tausend Küssen

    Ihm eine heisse Bach umb beyde Schultern flüssen /

    Man schaute wie ihr Mund von trauren trächtig stund /

    Sie sprach die Wichtigkeit des Werckes heist mich schweigen /

    Mein Auge wird dir mehr als meine Zunge zeigen /

    Und dieser Seufzer thut dir meine Wehmuth kund.

Dich heisset Jupiter in seinem Zorne scheiden /

    Du solst das weite Reich der grossen Götter meiden /

    Ach daß ich Göttin bin und nicht zusterben weiß!

    Hat Schaum und Muschel dann mich Göttin lassen werden /

    Daß man mich itzt verlacht im Himmel und auf Erden /

    Und fast geringer hält als Schwämme / Schnee / und Eyß.

Doch wirst du gleich itzund aus meiner Schoß gerissen /

    Wird gleich dein zarter Fuß die Erde fühlen müssen /

    So wird dein Nahme doch durch dieses nicht vergehn /

    Die Göttin des Gerichts die wird ihn höher führen /

    Als wo der Donner-Gott läst seinen Blitzen spüren /

    Ich weiß er heist ihn noch um seine Crone stehn.

Drauf nahm sie ein Geschirr gemacht von Berg-Cristallen /

    Und sprach / laß diesen Schatz bald auf die Erden fallen /

    Wenn du berühren wirst den Kreiß der Unter-Welt /

    Der Liebe heisser Trieb der lieget hier beschlossen /

    So selbst aus meiner Hand in dieses Glaß geflossen /

    Und als ein fester Leim die Welt zusammen hält.

Cupido wuste fast kein Wort nicht anzubringen /

    Er nahm das edle Pfand und kehrte seine Schwingen

    Der schweren Erden zu. Die Mutter schaut ihm nach /

    Es kam ihm ohngefehr ein Marmel zu Gesichte /

    So macht er den Cristall mit steiffer Hand zunichte /

    Und warf ihn daß er wol in tausend Stücken brach.

Es schwam der werthe Saft der nicht geschätzt kan werden /

    Nach dem das Glaß zerbrach / vergossen auf der Erden /

    Der starcke Dampf umzog den weiten Erden-Kreis /

    Ein süsses etwas drang dem Menschen um die Stirne /

    Und pflantzt / ich weiß nicht was / ihm heimlich ins Gehirne /

    So man zwar fühlen kan / doch nicht zunennen weiß.

Die Welt ward ein Spittal an tausend / tausend Krancken /

    Der Schmertzen war gestärckt durch schlüpfrige Gedancken /

    Der Geist fühlt einen Zug der mehr als fleischlich hieß /

    Die Flüsse lieffen an / von viel verliebten Thränen /

    Die Winde stärckten sich durch Seufzerreiches Sehnen /

    So das entbrandte Hertz aus seinem Schrancken bließ.

Die Kräuter von der Noth und Schwachheit zugenesen /

    Die waren nirgendwo zufinden und zulesen /

    Man nennt es allbereit die Kranckheit ohne Rath /

    Ich weiß nicht wie es hat der Zufall so geschicket /

    Daß einer ohngefehr den süssen Fund erblicket /

    Und ihm durch einen Kuß gewünscht gerathen hat.

Nachdem das Pflaster nun für diese Liebes-Wunden

    Der menschliche Verstand ergründet und erfunden /

    So fiel in einem Nu des Kummers Uberfluß:

    Den Krancken und den Artzt den fand man stets beysammen /

    Die Flammen leschten sich nicht selten in den Flammen /

    Der Becher war der Mund / der Saft ein heisser Kuß.

So lange nun das Rund der Erden wird bestehen /

    So wird die schöne Noth der Liebe nicht vergehen /

    Die Liebe bleibet doch die Stütze dieser Welt /

    Das Pflaster so man braucht / trägt oftmals selber Wunden /

    Oft hat das Pflaster selbst der Wunden Pflaster funden /

    Wann diß / was es verletzt / ihm wird hinzugesellt.

Mein Bruder darff ich itzt noch eine Sylbe sagen /

    So schwer' ich daß du nicht nach Mitteln hast zufragen /

    Das Mittel deiner Noth wünscht itzt bey dir zuseyn /

    Die Rose / so der Braut die zarten Wangen zieret /

    Und Zeugin ist der Zucht so sie im Hertzen führet /

    Stellt als dein Eigenthum sich itzo selber ein.

Sie krancket gleich wie du / sie scheuet zubekennen /

    Daß Flammen gleich wie dir / ihr um das Hertze brennen /

    Daß sie der Dampf bestrickt der aus Cristallen kam /

    Ihr Geist ist allzukeusch zu melden den Gebrechen /

    Und ist sie gleich bereit ein Wort davon zusprechen /

    So wird ihr doch der Mund versiegelt durch die Scham.

Du wirst ohn alle Müh' erlernen und verspüren /

    Wie dir die Kranckheit ihr zuheilen sol gebühren /

    Betrachte doch nur recht ihr keusches Augen-Licht /

    Das wirstu selber dir mit treuen Farben zeigen /

    Als spräch' es / dieses Bild / das wünsch' ich mir zu eigen /

    So sagt der Augen-Glantz spricht gleich die Zunge nicht.

Hier ist es keine Zeit zu bitten und zu fragen /

    Der Liebe Flügel seyn Geschwindigkeit und Wagen /

    Hier buchstabiret man gar selten J und A.

    Das Frauenzimmer steht den Parthen an der Seiten /

    Sie zeigen durch die Flucht oft ihre Lust zustreiten /

    Und ein erzürntes Nein / ist oft ein süsses Ja.

Es ist um hohe Zeit die tieffe Lust zubüssen /

    Die Stunden die vergehn / die Sternen die verschüssen /

    Cupido zeucht dir selbst den leichten Fürhang auf /

    Die Röthe / so der Braut in das Gesichte steiget /

    Wil itzt Aurora seyn / so auf die Sonne zeiget /

    Die durch der Lüste Kreiß sol nehmen ihren Lauff.

Und du / O keusche Braut / schlägst dein Gesichte nieder /

    Das Mittel heil zuseyn / das ist dir fast zuwieder /

    Du wilst und wilst auch nicht: die eingepflantzte Zucht /

    Die lehret dich itzund die reinen Augen sencken /

    Der unbekanten Lust vermehrtes Angedencken

    Bringt alle Freudigkeit dir schleunig auf die Flucht.

Heb nur die Augen auf / die reinen Liebes-Flammen /

    Dadurch sich Hertz und Hertz verknüpfen läst zusammen /

    Beflecken dir ja nicht die Schwanen-reiche Brust /

    Ja die Verleumbdung selbst / so sich durch Tadel speiset /

    Und auch der Tugend oft ein falsches Auge weiset /

    Die steht itzund bereit zu loben deine Lust.

Die Lieb ist ja ein Werck so aus dem Himmel komrnen /

    Und so der Erden Kreiß mit Lust hat eingenommen /

    Wer reine Liebe hast / liebt Gott und Menschen nicht.

    Die Tugend wie mich deucht die tadelt dein Verweilen /

    Und heisset dich itzund zu der Ergötzung eilen /

    Die dir der Himmel selbst mit reiner Hand verspricht.

Dein ander Leben kommt itzt auf dich zugegangen /

    Entrück ihm nicht den Mund / entzeug ihm nicht die Wangen /

    Ein Kuß verbleibet doch ein Aufboth unsrer Brunst /

    Er reichet dir die Hand / der Ernst steht bey dem Schertzen /

    Er giebet mit der Hand dir auch zugleich das Hertzen /

    Und heist es Siegel seyn der ungefärbten Gunst.

Laß itzt die Reinligkeit geschwätziger Rubinen /

    Mit Küssen angefüllt ihm zu der Schale dienen /

    Und tritt die erste Lust mit frischem Hertzen an /

    Gehorsam wil allhir die beste Tugend heissen /

    Und der Vertrauligkeit mustu dich itzt befleissen /

    Die dich die Liebe lehrt und ich nicht melden kan.

Geht rüstig zu der Ruh und last die heissen Sinnen /

    Ein ungespieltes Spiel / zu dieser Zeit beginnen /

    Das Gott hat aufgeführt und Adam aufgebracht /

    Ein mehres weiß itzund die Feder nicht zuschreiben /

    Sie neiget sich forthin in meiner Hand zubleiben /

    Sie wüntscht euch ferner nichts als eine süsse Nacht.

Ich weiß der Hymen wird euch alles dieses lehren /

    Was die verliebte Lust geschickt ist zuvermehren /

    Ein süsses Ach und Ach reist keine Wollust ein /

    Eh noch das andre Jahr die Rose wird verblühen /

    Und das Geflügel wird das andre Nest beziehen /

    So wird ein junger Fürst aus Flandern kommen seyn.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-008889-5
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.