Christian Friedrich Scherenberg

Der verlorne Sohn (Christian Friedrich Scherenberg)

In der Nacht, in der Nacht, der klingenden Nacht,

Wo's grinst und stiert, und grimmt und giert

    Und bleich und stumm,

Als ginge der Tod im Saale um –

Zum Tisch – zum Tisch – zum grünen Tisch!

    Wo's locket und rollt,

Das glitzernde Silber, das glühende Gold!

    »Ich war kaum Vogel, nun bin ich Fisch!«

    Verjubelt die Glut, ist kalt mein Blut.

    Mein Sang ist der Klang,

    Mein Lieb ist das Gold,

        Va banque!

        Juchhei!

Die Taschen sind voll! Noch mehr, noch mehr!

    Gewagt, gewonnen!

        Es steht!

        La bête!

        Vorbei!

    Gewonnen, zerronnen!

Die Taschen sind leer! – Und sind sie leer –

Herzvater, Herzmutter, sie schicken mehr.

Sie sparen und scharren und kratzen zu Haus,

Und weinen zu ihrem Vergnügen.

Ich nehme die Gelder zum Briefe heraus

Und lasse die Tränen drin, liegen.

        Juchhei!

Der eine erwirbt, der andre verdirbt,

    Und jeder dran stirbt.

        Vorbei!

Im Sturme, im Sturme wird's durchgebracht

Das Herz, das Leben, die Liebe!

Wir leben geschwinde, wir Herren der Nacht,

Wir Schwelger, wir Spieler, wir – Diebe.

Ich bin gefahren zu Land und See,

Aus ist mein Spiel und Tanz – Ade!

Die Eltern sind verdorben,

An ihrem Sohn verstorben

Und Kreuz und Gras darüber,

Und alles ist hinüber!

Verwüstet mein Leib, verstürmt mein Sinn,

Nichts drinnen, nichts draußen: wo soll ich hin?

O wie mich's gereut! o wie mich's gereut!

Ich habe verlungert die ganze Zeit

Und nichts errungen als Herzeleid,

Ich hab nicht gelebt – wie soll ich sterben?

Am Wege, am Wege muß ich verderben.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-008501-2
Erschienen im Buch "Deutsche Balladen"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.