August von Platen

Herrscher und Volk (August von Platen)

(1831)

               

Nie sehnt ein willkürübender Herrscher sich

Nach Dichterweihrauch, dessen er nicht bedarf:

    Er legt ans Schwert kraftvoll die Faust und

        Wen er zum Opfer sich wählt und wer ihm

Mißfällt und wer Freiheit zu verkünden wagt,

Den trifft der Tod, den decken Sibiriens

    Schneefelder zu, der wird geschmiedet,

        Tief in der Grotte des Felseneilands,*

Titanenhaft auf eisernen Rost, zu dem

Das Meer emporschlägt. Aber das Volk bedarf,

    Ohnmächtig schmerzvoll, eines Mannes,

        Welcher im Lied es empfiehlt der Nachwelt

Als Stoff des Mitleids, welcher erzählt, wie schnell

Zusagen wehn aus fürstlichem Mund, und ach!

    Gleichschnell verweht sind, wie man Schwüre

        Bricht in der Nähe des Pols und südwärts!

Sind Schwüre nicht - leicht löst sie der Papst - ein Spiel

Herzloser Bourbons? Nichtigem, falschem Eid,

    Ach, lauschte Frankreich, lauschte Spanien,

        Lauschte das Land um Messinas Pharus,

Diesseits und jenseits! Einen erblickten wir,

Der seines Zwingherrn blutige Hand geküßt,

    Nachdem umsonst sein Volk des Wagens

        Stricke zerhaun, den geliebten König

Nicht lassen wollend. Jener entwich, da focht's

Sechs Jahr' um ihn, sechs Jahre, befreit zuletzt

    Ihn aus der Haft. Er kommt und liefert

        Seine Befreier dem Blutgerüst aus.

War solches Undanks fähig ein Nero selbst?

Dem, der für ihn sich opferte, mindestens

    Dem Strang des Henkers ihn entrückend,

        Hätt' er ein rühmliches Grab gegönnt ihm!

Ihr fürchtet nichts, Tyrannen, allein den Tod

Doch fürchtet ihr, der kein Diadem verschont:

    So möge denn ums Sterbelager

        Drängen sich euch der verhaßte Chorus

All derer, die dumpfbrütende Kerkerluft

Frühzeitig weggerafft, all der Gequälten Geist,

    Die auf Galeeren euch, mit Mördern

        Eng aneinandergekoppelt, fluchen,

All derer, die, weit über der Welt verstreut,

Vom Bild der Heimat ihre Gemüter voll,

    An fremder Tür ihr Brot erbetteln,

        Ja, zu Barbaren verbannt, des Moslems

Mildtätigkeit anflehen! Um euer Bett

Wird manch Gespenst mit drohendem Finger stehn,

    Durch Kettenlärm euch weckend, oder

        Priester und Priestergebet verscheuchend.

* Die sogenannten Ergastoli auf den Klippeninseln des Tyrrhenischen Meers.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-000291-5
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.