Auf dem Schwarzwald (Wilhelm Jensen)
Die Wolken ziehen vom Mittag her,
weißleuchtende Segel in blauem Meer.
Wie alte Tempelsäulen stehn
ernstgraue Felsen; im Windeswehn
darüber wallend ein grüner Kranz,
und um sie im schimmernden, flimmernden Glanz,
wie reiches Geschmeide,
rotblühende Heide.
Doch im Dämmern des Waldes in moosiger Kluft
von Tannennadeln ein schauernder Duft;
ein Lichtstrahl, der verloren irrt,
ein plätschernder Quell, ein Tauber girrt;
verhallend stößt der kreisende Weih
fernher aus den Lüften klagenden Schrei
hoch über den Zweigen;
sonst tiefes Schweigen.
Im Gerank und Gestein ein Pfad noch kaum,
nur einsame Wildnis im Mittagstraum.
Da schillert es auf wie ein spiegelnder Bach,
aus silbernen Schindeln ein glitzerndes Dach,
eine letzte Behausung, weithin allein
und verlassen im zitternden Sonnenschein;
nur Rispen und Ranken
lispeln und schwanken.
Kein Laut; weit offen das graue Tor,
zwei winzige Geschöpfchen nur knien davor;
ein Büblein, ein Mägdlein, zusammengeschmiegt,
barfüßig, barhäuptig. So reglos liegt
auf den Knien das Pärchen. Ein Hauch bewegt
ihm das flächserne Haar; aneinander gelegt
hält stumm es nach oben
die Hände gehoben.
Wie Silber rieselt's vom glimmernden Dach;
die Mutter liegt tot im dumpfen Gemach,
der Vater stieg zum Kirchhof hinab
in der Mittagsrast und bestellt ein Grab;
tief drunten klirrt sein Schritt durchs Gestein,
gleichmäßig. Die Kinder blieben allein,
die Hände faltend
und Totenwacht haltend.