In der Neujahrsnacht 1809 (Theodor Körner)
Still ahnend kommt das neue Jahr geflogen;
Das alte stürzt sich wimmernd in sein Grab.
Von des Gesetzes Ewigkeit gezogen
Rauscht es im Sturm mit seinen blut'gen Wogen
In die Vernichtung seiner Kraft hinab.
Im eh'rnen Streit begann es ernst zu tagen;
Die Ostsee trägt im Kampf der Schiffe Last,
Und manche Schlacht wird kühn und wild geschlagen,
Und jeder will den flücht'gen Sieg erjagen
Und stürzt sich nach, bis ihn der Tod umfaßt.
Dann zieht der blut'ge Völkerkampf nach Süden,
Und Nationen stellen sich zur Schlacht;
Vernichtet ist des Lebens stiller Frieden;
Die Herzen sind im wilden Streit geschieden;
Die heil'ge Kraft der Freiheit ist erwacht.
Da will der Mensch die göttliche erwerben,
Zerreißt das eh'rne Band der Tyrannei;
Ein dunkles Streben zieht ihn ins Verderben;
Für seinen Glauben kann er mutig sterben,
Und der Gedanke macht den Menschen frei.
Kaum hat er jetzt die Götterkraft genossen,
So stürmt er fort im blinden Siegerwahn,
Und viel des edlen Blutes ist geflossen.
Da ward das Jahr im wilden Streit geschlossen,
Und kämpfend tritt das neue auf die Bahn.
Und jetzt in der bedeutungsvollen Stunde,
Der Zukunft und Vergangenheit vermählt,
Vergißt der Mensch begeistert seine Wunde;
Er glaubt sich kühn zu einem höhern Bunde
Und fühlt den Arm zu neuer Tat gestählt.
Doch kann der schöne Glaube auch bestehen,
Und wird des Kampfes späte Frucht gedeihn?
Umsonst; auch diese Hoffnung muß verwehen;
Das neue Jahr wird blutig untergehen
Und Streit und Mord die ew'ge Losung sein.
Es läßt der Mensch das eh'rne Schicksal walten
Und tritt hinaus in die entflammte Welt;
Wo Kräfte sich in blinder Wut entfalten,
Da kann kein Bild der Liebe sich gestalten:
Im Kampf mit den Centauren sinkt der Held.