Die Gewalt der Schönheit (Theodor Körner)
Durch des Himmels lichte Wogen
Von des Liedes Macht gezogen,
Schwingt sich kühn der Sänger hin.
Zu dem Donnerklang der Sphären
Schwebt er, sich das Herz zu klären;
Doch erblindet bleibt der Sinn.
Zu den Sternen will er flüchten,
Sich den innern Drang zu lichten,
Zu den Sonnen will er fliehn.
Doch es bleichen ihm die Sterne;
Sonnen fliehn zur ew'gen Ferne,
Wo sie zart und matt verglühn.
Ach! er sucht die Ideale
In des Himmels weiter Schale,
Die sich bläulich wölbend baut;
Und mit heiligem Verlangen
Will er liebend sie umfangen,
Wie der Bräutigam die Braut.
Nimmer kann er sie ergründen,
Und des Lebens Quell zu finden,
Treibt's ihn ohne Rast und Ruh.
Da ergreift die Erd' ihn wieder,
Und verzweifelnd stürzt er nieder,
Und der Himmel schließt sich zu.
Doch auf einmal - welcher Schimmer,
Glänzend wie der Sonne Flimmer,
Auf der grünen Spiegelflut!
Was durchbricht den Nebelschleier
Lichter wie der Sterne Feuer,
Höher als der Sonnen Glut?
Wie dem Chaos erst entronnen
Und der Freiheit Luft gewonnen,
Eros sich auf Wolken wiegt
Und, da er die Nacht gebunden
Und die Schöpfung überwunden,
Liebend an die Welt sich schmiegt:
So entsteht aus trübem Dunkel
Glänzend schöner als Karfunkel
Eine himmlische Gestalt.
Und gestillt ist all sein Streben;
Es ergreift ihn neues Leben
Mit geheiligter Gewalt.
Welch ein Götterbau der Glieder!
Erde, stürz verehrend nieder!
Goldne Sichel, grüße sie!
Seht! ihr neigen sich die Sterne,
Und aus unbekannter Ferne
Tönt die Weltenharmonie.