Mylon (Salomon Geßner)
Der junge Mylon fieng im Tannen-Hain schlau einen Vogel, der von Federn schoen, doch schoener
noch war sein Gesang; er macht' in holen Hænden ihm ein luftig Nest, und bracht' voll Freud'
ihn dahin, wo sein Vieh im Schatten lag, und da legt' er den holen Stroh-Hut auf den Boden hin,
thut den gefangnen drunter, und eilt schnell zu nahen Weiden, suchet sich die schlanksten
Äste, denn er will ein schoenes Keficht bauen; wenn ich izt, so sprach der Hirt, das schoene
Keficht hab, dann trag ich, Vogel! dich zu Chloen hin. Fyr dies Geschenk begehr' ich denn von ihr,
ach! einen syssen Kuß; sie ist nicht wunderlich; den giebt sie wol; und giebt sie den, dann
raub ich schlau zween, drey, wol viere noch dazu. O wær der Bauer nur schon izt gebaut! So
sprach er, und da lief er schnell, die Weiden-Schosse unter seinem Arm, zu seinem Stroh-Hut hin.
Allein wie stand er traurig da! Der Hut lag umgekehrt durch einen boesen Wind; und seine Kysse
waren mit dem Vogel weg.