Nikolaus Lenau

Der Maskenball (Nikolaus Lenau)

           

Wirres Durcheinanderwallen

In den lichten Säulenhallen.

Der Trommeten hell Gedröhne

Und der Geigen tolle Lieder

Stürzen vom Gerüste nieder

Als ein Wildbach froher Töne;

Von dem Strome leicht bezwungen

Wird der Gäste bunte Menge,

Wird vom seligen Gedränge

Rascher Tänze schnell verschlungen.

Blumen und Orangenbäume

Blühen, duften rings im Saale,

Mahnen, holde Frühlingsträume,

Mich an ferne Blütentale,

Wecken mit dem stillen Gruß

Mir ein banges Hinverlangen,

Hauchen ihren leisen Kuß

Schönen Mädchen an die Wangen.

Doch den Frohen, Ruhelosen

Weht nicht Sehnsucht in dem Hauche,

Sind ja selber junge Rosen,

Die entflogen ihrem Strauche,

Flatternd in geliebten Tänzen,

Dem Gewinde bald entbunden,

Bald zu anmutvollen Kränzen

Von der Freude frisch gewunden;

Können sinnend nicht verweilen,

Müssen im Vergnügen eilen,

Denn des Welkens Klage naht.

Nie zu sühnender Verrat

An der Blüte Augenblicken

Wäre jede trübe Säumnis. –

Seht, da schwebt mit trautem Nicken,

Ein süß neckendes Geheimnis,

Eine holde Maske her.

Ach, wer bist du? sage, wer? –

Lind und weich von heller Seide

Ist dein schlanker Leib umfangen,

Und vom amarantnen Kleide

Leicht und luftig überhangen,

Und du strahlst im Glanz des Goldes,

Polenmädchen! wunderholdes!

Schalkhaft kühn dein Käppchen sitzt,

Trotzend auf so schöne Stelle;

Wie der Demantstern dir blitzt

Aus der Nacht der Lockenwelle!

Wie die Perlen dich umschmiegen,

Die dir froh am Halse liegen!

Deine Reize still zu ehren,

Haben sie sich dort vereinet;

Hat ein Gott dir Freudenzähren

An den schönen Hals geweinet? –

Doch betracht ich dich genauer,

Weiß ich nicht, wie mir geschieht,

Rührst du mir das Herz zur Trauer,

Und die heitre Deutung flieht.

Mädchen, willst du in Symbolen:

Weißem Nacken, Perlenschnüren,

Uns das Trauerlos der Polen

Mahnend vor die Seele führen?

Zeigen uns im schönen Bilde

Tränenvolle Schneegefilde?

Ja, du kamst in dieses Haus,

Leise strafend uns zu tragen

In den schmerzvergeßnen Braus

Polens Glück aus alten Tagen,

Daß wir seinen Fall bedenken

Und in Wehmut uns versenken. –

Abgewendet nun mit Schweigen,

Schwindest du im dichten Reigen,

Wie Polonias Herrlichkeit

Schwand im wilden Tanz der Zeit! –

Dort im härenen Gewande,

Mit Sandal und Muschelhut,

Wie entrückt in ferne Lande,

Über Berg' und Meeresflut –

Steht ein Pilger: seine Träume

Säuseln ihm wie Palmenbäume,

Zaubern ihn zum heilgen Grabe,

Seines Glaubens liebster Habe. –

Seid willkommen mir, Matrosen!

Nehmt mich auf in eurem Schiffe!

Frisch hinaus ins Meerestosen,

Durch die flutbeschäumten Riffe!

Ha! schon seh ich Möwen ziehn,

Wetterwolken seh ich jagen,

Und die Stürme hör ich schlagen;

Süße Heimat, fahre hin!

Nach der Freiheit Paradiesen

Nehmen wir den raschen Zug,

Wo in heilgen Waldverliesen

Kein Tyrann sich Throne schlug.

Weihend mich mit stillem Beten,

Will den Urwald ich betreten,

Wandern will ich durch die Hallen,

Wo die Schauer Gottes wallen;

Wo in wunderbarer Pracht

Himmelwärts die Bäume dringen,

Brausend um die keusche Nacht

Ihre Riesenarme schlingen.

Dort will ich für meinen Kummer

Finden den ersehnten Schlummer;

Will vom Schicksal Kunde werben,

Daß es mir mag anvertrauen

In der Wälder tiefem Grauen,

Warum Polen mußte sterben.

Und der Antwort will ich lauschen

In der Vögel Melodeien,

In des Raubtiers wildem Schreien

Und im Niagararauschen.

(1831)

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-458-33686-9
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Insel Verlag