Abends, wenn die Fremden beten... (Muhammad Schams ad Din Hafis)
Abends, wenn die Fremden beten,
wein ich, meiner Heimat fern;
Murmle wunderliche Dinge,
klage meine Leiden gern.
Die Erinn'rung meiner Liebe
weckt mir solchen Tränenstrom:
Alles möcht' ich überschwemmen
unterm weiten Himmelsdom!
Da ich doch des Freundeslandes,
nicht der Fremde Sprößling bin:
Führe bald, Allmächt'ger, wieder
mich zu meinen Freunden hin!
Beim alleinigen Gott beschwör ich,
Führer meiner Reise, dich:
Führe bald zu meines Winzers
grünem Freudenbanner mich!
Kann ich klugen Leuten gelten
als ein hochbetagter Greis,
Da ich noch mit junger Liebe
spiele um der Jugend Preis!
Hier kennt mich nur Ost- und Nordwind,
sonst bin ich ganz unbekannt;
Keinen andern Freund hier hab ich
als den Buhlen, »Wind« genannt.
Aus der Liebe Wohnung weht mir
Luft, die Lebenswasser bringt:
Schaff mir, Ostwind, einen Hauch nur,
der sich Schiras' Flur entschwingt!
Eines Morgens kam von Sohra
mir das Wort mit Harfenklang:
»Aus Hafisens Munde lernt' ich
holde Rede und Gesang.«
(Übersetzung: Friedrich Bodenstedt)