Martin Opitz

Ode XIV (Martin Opitz)

           

         

    Asterie mag bleiben wer sie wil /

Ich weiß nichts mehr von jhr /

Vnd jhrer Huld; ein sehr viel höher Ziel

Hab ich anjetzt vor mir:

Ich will mich weiter schwingen

Als durch den Erdenkreiß /

Vnd nur alleine singen

Der Tugend Ehr' vnd Preiß.

    Wie selig ist wer in Vollkommenheit

Der Weißheit sich verliebt /

Die süsse Gifft der schnöden Eitelkeit

Jhn nimmermehr betriebt;

Er weichet von den Wegen

Der Vppigkeit der Welt /

Darauff zuvor erlegen

Manch freyer kühner Heldt.

    Die Schönheit zwar veracht' ich gäntzlich nicht /

Weil sie von oben kömpt /

Das sag' ich nur daß sie gar leichte bricht /

Vnd bald ein Ende nimpt:

Der rote Mund / die Wangen /

Der schönen Augen Glantz /

Ja alle Pracht vnd Prangen

Ist wie ein Rosenkrantz.

    Wer Tugend liebt / der stirbet nimmermehr /

Er dringt durch alle Noth /

Durch alle Welt erklingt sein Lob vnd Ehr /

Er bleibt / vnd lebet todt:

Drumb wil ich nichts mehr schreiben

Von zeitlicher Begiehr /

So wird mein Lob bekleiben /

Vnd grünen für vnd für.

    Weg / Venus / weg / du Pest der jungen Zeit /

Ich selbst vergesse mein;

Ich wil jetzt gehn den Lauff der Ewigkeit /

Vnd auff der süssen Pein

Verwirten Bahn nicht wallen /

Die Tugend ist mein Ziel;

Asterie sampt allen

Mag bleiben wer sie wil.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-000361-X
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.