Elegie (Martin Opitz)
IN dem die Sonne sich hat in das Meer begeben /
Vnd das gestirnte Haupt der Nacht herausser bricht /
Sind Menschen / Vieh vnd Wild wie gleichsam ohne Leben /
Der Monde scheinet auch gar kaum mit halbem Liecht.
Ich / ob schon alles schläfft / muß ohn Auffhören wachen
Von vielen Tagen her / vnd wallen ohne Ruh:
Ist schon die gantze Welt befreyt von jhren Sachen /
So bring' ich doch vor Lieb' vnd Angst kein Auge zu.
Auch dich / Asterie / hat gantz der Schlaff vmbringet /
Der Tagesarbeit furth / deß Todes Ebenbild;
Da mir der Zehren Bach auß beyden Augen dringet /
Bist du mit sanffter Rhu auff deinem Bett' erfüllt.
Wie wann sich Delia hat in den Walt verborgen /
Wird durch den Schlaff erwuscht / vnd fellt ins grüne Graß;
Vnd wie die Nymphen auch sich legen gegen morgen /
Nach dem der Nachttantz sie gemacht hat müd vnd laß.
Sie ruhen sicherlich bey einem frischen Bronnen /
Die Bäume halten auff der Morgenröthe Liecht;
Daß sie nicht alsobald erwachen von der Sonnen
Deckt sie der dicke Wald: Pan aber schläffet nicht.
Er geht / er rufft / er schreyt mit sehnlichem Verlangen /
Daß seine stimm erklingt durch pusche / Berg vnd Thal /
Vnd sie sind sänfftiglich mit süssem Traum vmbfangen /
Dem Pan antwortet nur der blosse Wiederschal.
Du auch / mein Leben / schläfst / ich muß in Nöthen wallen /
Du bist in guter Rhu / ich wache für vnd für /
Biß mich der letzte Tod wird endlich vberfallen /
Auff den ich sehnlich wart allhier bey deiner Thür.