Martin Opitz

Daß die Poeterey vnsterblich sey (Martin Opitz)

         

WAs wirffstu / schnöder Neid / mir für die Lust zu schreiben

Von Venus / vnd mit jhr die Jugend zu vertreiben?

Ich achte deiner nicht / du liebest Eitelkeit:

Mein Lob vnd Name wird erklingen weit vnd breit.

Cupido führet mich in eine grüne Wüsten /

Da der Poeten Volck weit von Begier vnd Lüsten /

Vorzeiten hat gelebt wie noch die erste Welt

Nichts von den Städten wust' / vnd wohnet vmb das Feld.

Die Nymphen werden mir den Lorberkrantz auffsetzen /

Mit meinen Versen wird sich Erato ergetzen:

So weit die grüne Lust vnd hohen Wälder gehn /

So weit wird mein Gedicht' an allen Bäumen stehn.

Jhr örter voller Frewd' / jhr Auffenthalt der Hirten /

Jhr Bäch' / jhr Ahornbäum' / jhr Quell / jhr zarten Myrten /

Jhr Thäler / jhr Gebirg' / jhr Blumen vnd jhr Stein' /

Jhr Wohnhauß aller Rhu / bey euch wüntsch ich zu seyn;

Sonst nirgends als bey euch: von ewrer Lust besessen

Wil ich deß irrdischen / vnd meiner selbst / vergessen.

Wie Perseus als er erst Andromeden erblickt /

Ward mitten in der Lufft durch ihre Ziehr verzückt /

So daß er kaum das Roß vermochte zu regieren:

So soll auch mich von euch kein andre Liebe führen /

Biß mich der Letzte Todt hier vnversehens kriegt /

Vnd Venus mich begräbt wo jhr Adonis liegt.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-000361-X
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.