Martin Opitz

An eine Jungfraw (Martin Opitz)

           

VNd du wirst auch bey meiner Buhlschafft stehen /

O Delia / du Bildnuß aller Ziehr:

Ich wil auch dich durch meine Verß' erhöhen;

Ich wil dein Lob erweitern für vnd für.

Sey nicht erzürnt / Asterie / mein Leben /

Weil ich anjetzt so sehr weit von dir bin /

Daß ich mich hab' in andre Huld ergeben /

Vnd frembde Gunst mir kommen in den Sinn.

Ich habe dich in jhren Augen funden:

Dein Angesicht' und rosenrother Mund /

Dein schönes Haar ist so in jhr verbunden /

Daß ich sie nicht für dir erkennen kundt'.

Ich fandt in jhr was ich bey dir verlassen;

Ich fand in jhr dich so gebildet ein /

Daß ich vermeyn' ich könne sie nicht hassen

Ich müsse denn auch dir zu wider seyn.

O Delia / du Spiegel meiner Frewden /

Du Ebenbild der schönsten in der Welt /

Vergönne doch daß sich mein' Augen weiden /

Weil deine Ziehr mein Leben in sich helt;

Weil jhr Gesicht' ist so in dich geschrieben /

Daß sie jhr selbst nicht ähnlicher seyn kan /

Wie wolt' ich dich / mein' Augenlust / nicht lieben?

Ach nimb mich doch von jhrentwegen an.

So wil ich auch mit steten Versen ehren

Dein' hohe Ziehr / vnd edlen Augenschein.

So lange man von Liebe nur wird hören /

Wird man zügleich' auch deiner inndenck seyn.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-000361-X
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.