Martin Opitz

An die Deutsche Nation (Martin Opitz)

       

DEr blinden Venus Werck / die süsse Gifft zu lieben /

Vnd schöne Zauberey / in dieses Buch geschrieben /

Nimb erstlich an von mir du werthes Vatterland;

Nimb an der Liebe Sach' / als meiner Liebe Pfand.

Mein Sinn floch vber hoch: ich wolte dir vermelden

Durch Kunst der Poesie den Lauff der grossen Helden /

Die sich vor dieser Zeit den Römern wiedersetzt /

Vnd in dem stoltzen Blut' jhr scharpffes Schwerd genetzt:

Apollo nahm mich an in seine Gunst vnd Holde /

Vulcanus hatte schon gemacht von gutem Golde

Die Feder meiner Faust: ich war nun gantz bereit

Mit meines Geistes Frucht zu brechen durch die Zeit.

Da kam der Venus Kind / bracht' einen Krantz von Myrten

Vor meine Lorbeerkron / vnd stieß mich zu den Hirten

In einen grünen Wald / wieß auff ein schönes Bildt /

Die edle Nymph' hat mir Gemüth' und Sinn erfüllt.

In ihren Augen hab ich alles dieses funden

Was ich mich in diß Buch zu schreiben vnterwunden:

Das jrrdische Gestirn' hat meinen hohen Geist

In dieses enge Meer der Eitelkeit geweist.

In dieses enge Meer / auff welchem meine Sinnen

Nicht als von Freundligkeit vnd Liebe dencken können /

Von Lieb' vnd Freundligkeit: die bittersüsse Pein

Die muste mir an statt der Heldenthaten seyn.

Ich thue / Asterie / nach deinem Wolbehagen /

Vnd will dein hohes Lob biß an die Sternen tragen:

So weit der Deutschen Red' vnd Tugend ist bekandt

Soll auch dein' Ehr' vnd Preiß durchdringen alles Landt.

O hohe werthe Seel' in Weißheit außerkohren /

Zum Spiegel weiblicher vollkommenheit gebohren /

Sey mir mit deiner Gunst vnd trewen Huld bereit;

Komm / komm / vnd laß vns gehn den Weg der Ewigkeit.

Du Deutsche Nation / voll Freyheit / Ehr' und Tugend

Nimb an diß kleine Buch / die Früchte meiner Jugend /

Biß daß ich höher steig' / vnd deiner Thaten Zahl

Werd' vnablässiglich verkünden vberall.

Diß Buch ist mein Beginn in Lieb vnd auch das Ende:

Ein nochgelehrter Werck / zu dem ich jetzt mich wende /

Daß soll mehr als diß Buch so viel mal besser seyn /

Je besser Weißheit ist als Venus süsse Pein.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-000361-X
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.