Martin Opitz

An Asterien (Martin Opitz)

         

ZWeymal ist jetzund gleich der schöne Früling kommen /

Vnd zweymal hat der Frost deß winters abgenommen

Der bäume grünes kleid / als Venus zu mir kam /

Vnd mich / Asterie / von Phebus Seiten nam /

Vnd dir zugab. vorhin entbrandten meine Sinnen /

Durch Durst der Ewigkeit / als ich mich zu gewinnen

Der Tugendt schloß befließ: jetzt bin ich / meine Ziehr /

So weit von jhnen ab / so nah' ich bin bey dir.

Wie offt' hab' ich bißher gehoffet frey zu werden /

Wie offtmals hatten mich geführet von der Erden

Die Flügel der Vernunfft / wann nicht das weite Meer

Der grossen Freundligkeit in dir gewesen wer?

Jedoch wird mich vnd dich Thalia nicht verschweigen /

Mein Augentrost ich geh' / ich geh' jetzt zuersteigen

Der Ehren hohes Schloß; ob gleich der schnöde Neid

Den Weg verwachen wird / den Weg der Ewigkeit.

Der schnellen Jahre Flucht / so alles sonst kan tödten /

Hat nicht Gewalt in vns; die trefflichen Poeten

Sind viel mehr als man meynt: jhr hoher Sinn vnd Geist

Ist von deß Himmels Sitz' in sie herab gereist.

Ein frey Gewissen auch ist gar nicht angebunden

An das Geschrey deß Volcks / das ähnlich ist den Hunden:

Sie bellen in die Lufft wo sie nicht können gehn /

Vnd bleiben doch allhier weit von dem Himmel stehn.

So bald vns Atropos den Faden abgeschnitten /

So balde haben wir auch vnser Recht erlitten:

Wann vnsre Seel' vnd Geist deß Leibes sind befreyt

Vnd lassen diese Welt / so lest vns auch der Neidt.

So ward auch Hercules / der Kern der Helden / inne /

Daß niemandt weil er lebt die Mißgunst zähmen könne.

Diß ist der alte Lauff. Ich / den du hier siehst stehn /

Vnd auch dein Lob mit mir / soll nimmer vntergehn:

Es sey daß mir hinfort für andern wird belieben

Was Aristoteles / was Xenophon geschrieben /

Was Plato reich von list / was Seneca gesagt /

Was Cato; oder auch es sey das mir gehagt

Ohn einigen Termin die Bücher aller Alten /

So durch deß Himmels Gunst bißher sind vorbehalten /

Zu schliessen in mein Hertz' / als wie ein muthig Pferdt /

Das sich an keinen Zaum vnd keine schrancken kehrt /

Vnd kan nicht stille stehn / begiehrig fort zu lauffen;

Es sey auch wie es will / so werd' ich von dem Hauffen

Deß Pöfels seyn getrennt; mein Lieb / mit dem bescheid'

Erwart' ich deiner Huldt vnd Gegenfreundligkeit.

Gleich wie ein Tigerthier der säuglinge beraubet /

Jetzt dort' / jetzt dahin laufft; es wütet / tobet / schnaubet /

Es heulet daß die Berg' vnd aller Wald erschallt;

So schrey ich auch nach dir mein bester Auffenthalt.

Ergib dich daß du nicht / wann ich dir bin genommen /

Dürffst sagen allererst: Ach möchstu wider kommen /

O Philomusus werth / O edeler Verstandt;

Wie hertzlich wolt' ich doch dir bieten meine Hand /

Dir bieten meine Lieb' vnd rechte wahre Trewe:

Dann wird vergeblich seyn / O Jungfraw deine Rewe /

Dann wird vergeblich seyn dein Weinen / Klag' vnd Leidt;

Das Korn wechst gar nicht mehr ists einmal abgemeyt.

Wer wird hernach / mein lieb / wer wird hernach dich preisen

Wann diß mein jrrdin Faß dann wird die Würme speisen?

Drumb komm / O Schöne / komm / eh' es zu langsam ist /

Komm / laß vns gehn den Weg / den ich mir außerkiest.

Schaw' / O Asterie / die Meisterinn der Zeiten

Das ewige Geschrey / die Hand nach dir außbreiten /

Vnd dir geneiget seyn: nimb sie von Hertzen an /

Die ewig deine Ziehr vnd dich erhalten kan.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-000361-X
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.