Mörike Eduard

Erbauliche Betrachtung (Mörike Eduard)

(1846)

Als wie im Forst ein Jäger, der, am heißen Tag

Im Eichenschatten ruhend, mit zufriednem Blick

Auf seine Hunde niederschaut, das treue Paar,

Das, Hals um Hals geschlungen, brüderlich den Schlaf,

Und schlafend noch des Jagens Last und Mühe teilt:

So schau ich hier an des Gehölzes Schattenrand

Bei kurzer Rast auf meiner eignen Füße Paar

Hinab, nicht ohne Rührung; in gewissem Sinn

Zum ersten Mal, so alt ich bin, betracht ich sie,

Und bin fürwahr von ihrem Dasein überrascht,

Wie sie, in Schuhn bis überm Knöchel eingeschnürt,

Bestäubt da vor mir liegen im verlechzten Gras.

Wie manches Lustrum, ehrliche Gesellen, schleppt

Ihr mich auf dieser buckeligen Welt umher,

Gehorsam eurem Herren jeden Augenblick,

Tag oder Nacht, wohin er nur mit euch begehrt.

Sein Wandel mochte töricht oder weislich sein,

Den besten Herrn, wenn man euch hörte, trugt ihr stets.

Ihr seid bereit, den Unglimpf, der ihm widerfuhr,

- Und wäre sein Beleidiger ein Reichsbaron -

Alsbald zu strafen mit ergrimmten Hundetritt

(Doch hiefür hat er selber zu viel Lebensart).

Wo war ein Berg zu steil für euch, zu jäh ein Fels?

Und glücklich habt ihr immer mich nach Haus gebracht;

Gleichwohl noch nie mit einem Wörtchen dankt ich euch,

Vom Schönsten was mein Herz genoß erfuhrt ihr nichts!

Bleibt mir getreu, und altert schneller nicht als ich!

Wir haben, hoff ich, noch ein schön Stück Wegs vor uns;

Zwar weiß ichs nicht, den Göttern sei es heimgestellt.

Doch wie es falle, laßt euch nichts mit mir gereun.

Auf meinem Grabstein soll man ein Paar Schuhe sehn,

Den Stab darüber und den Reisehut gelegt,

Das beste Sinnbild eines ruhenden Wandersmanns.

Wer dann mich segnet, der vergißt auch eurer nicht.

Genug für jetzt! Denn dort seh ichs gewitterschwer

Von Mittag kommen, und mich deucht, es donnert schon.

Eh uns der Regen übereilt, ihr Knaben, auf!

Die Steig hinab! zum Städtchen langt sichs eben noch.