Der St.-Agnes-Abend (John Keats)
St. Agnes Abend bitter eisig wars!
Dem Kauz, trotz all der Federn, wurde kühl;
Der Hase lahmte durchs gefrorne Gras,
Und kein Schaf schrie im wolligen Gewühl
Steif des Fürbitters Finger, da er still
Den Rosenkranz sprach, und sein Atem schien,
Wie durch ein altes Rauchfaß Weihrauch fiel,
Auch ohne Tod gen Himmel zu entfliehn,
Am süßen Jungfraunbild hin, betend auf den Knien.
Er betet, der geduldig fromme Greis;
Nimmt dann die Lampe, steht vom Knien auf
Und schleppt sich hager, barfuß und blaßweiß
Am Seitenschiff entlang zurück darauf.
Tote aus Stein, scheints, frieren hier zuhauf,
Von Fegefeuergittern schwarz umragt;
Ritter und Damen beten sieht sein Lauf,
In dumpfen Zellen, und sein Geist versagt,
Sinnt er, wie sie in Hauben, Panzern Schmerz wohl plagt.
Nordwärts kehrt er durch eine kleine Tür,
Und kaum drei Schritt, schon rührt mit goldnen Zungen
Musik den armen Greis zu Tränen hier;
Doch nein sein Totenläuten war erklungen:
Sein ganzes Lebensglück gesagt, gesungen
Sein war am Agnesabend harte Buße.
Er drehte um und saß schon bald, gezwungen
Von seinem Seelenheil, in herbem Ruße
Und litt die Nacht hindurch, wach um der Sünder Muße.
Der Fürbitter hörte das Vorspiel klingen;
Und das, weil vielfach Türn weit offen waren
Von regem Hin und Her. Bald, droben, fingen
Die Silberhörner an, scharf aufzufahren;
Die ebnen Säle, nicht mit Prunk zu sparen,
Glühten, wohl tausend Gäste zu empfangen;
Schnitzengel, mit stets scharfen Augenpaaren,
Sahn auf zu Kränzen, die ihr Haupt umschlangen,
Das Haar im Wind, von Flügeln überkreuz umfangen.
Nun brach herein des Festtags silbern Flirrn
Mit Federbusch, Tiara, reichem Kragen,
Zahlreich wie Schemen feenhaft das Hirn
Durchziehn, das, jung, erfüllt von alter Sagen
Triumphe, glüht. Nach denen laßt nur fragen,
Bis, einen Sinns, zu einer Maid wir kamen,
Die tief im Herz an diesen Wintertagen
Der Liebe nachsann und St. Agnes Amen,
Wie sie es kundtun hörn oft hatte alte Damen.
Am Agnesabend, sagten ihr die Alten,
Wär mancher Jungfrau Glücksvision erwacht
Und kann sie huldigend ihr Liebster halten
Zur honigsüßen Mitte dieser Nacht,
Hat sie nur auf die rechten Bräuche acht
So ohne Abendbrot zu Bett zu gehn,
Die Schönheit ausgestreckt, ganz Lilienpracht;
Nicht rings umherzuschaun, nur abzuflehn
Dem Himmel frommen Blicks, was ihre Träume sehn.
Dies schwirrte wirr im Kopf umher Madeleine
Die Klänge, jammernd wie ein Gott im Schmerz,
Vernahm sie kaum: sie blickte keusch und schön
Zu Boden, sah manch Schleppe festsaalwärts
Vorbeiziehn ihr wars gleich. Umsonst voll Herz,
Kam manch ein Kavalier kaum trippelnd nah,
Schon ging er nicht vergrault durch Schmach, durch Scherz
Sie sahs nicht weil ihr Herz woanders war:
Ihr war nach Agnes Traum, dem süßesten im Jahr.
Sie tanzte mit verschwommnem, leerem Blick,
Die Lippen bang, ihr Atem schnell und flach.
Die hohe Stunde kam: sie sinkt zurück
Inmitten Tamburinen, all dem Krach
Von zornigem Geflüster und Gelach,
In Blicken voller Herz, Trotz, Hohn und Strafe
Beseelt von Märchenzaubern für nichts wach
Als für St. Agnes ungeschorne Schafe
Und all die Seligkeit vorm morgendlichen Schlafe.
So, jeden Augenblick zu gehn gespannt,
Hielt sie noch aus. Inzwischen war, durchs Moor,
Jung Porphyro genaht, das Herz entbrannt
Nur für Madeleine. Neben dem Eingangstor,
Geschützt vorm Mondlicht, steht und fleht hervor
Er alle Heiligen, zu sehn Madeleine,
Einmal in den so langen Stunden nur
Sie anzuschaun, voll Huld, selbst ungesehn,
Gar sprechen, küssen, knien ja, derlei war geschehn.
Er wagt es daß kein Schwatzen es beschriebe!
Blind alle Augen! hundert Schwerter fahren
Sonst in sein Herz, die Fieberburg der Liebe.
Ihm waren jene Räume voll Barbaren,
Heißblütgen Herren und Hyänenscharen
Noch deren Hunde heulten ihr Gegröle
Auf sein Geschlecht: bar jeden Mitleids waren
Die Herzen hier, in dieser falschen Höhle,
Bis auf ein Mütterchen, schon schwach in Leib und Seele.
Ah, Glück! das greise Wesen kam gebückt,
Schlurfend am elfenbeinbeknauften Stab,
Dorthin, wo er, vorm Fackelschein verdeckt
Durch einen breiten Pfeiler, stand weitab
Von Rundgesang und fröhlichem Geklapp.
Er schreckte sie; doch bald, sehend, wer er war,
Als sie ihm zitternd ihre Gichthand gab,
Sprach sie: «Gott, Porphyro! flieh die Gefahr
Alle sind hier heut nacht, der Blutrunst ganze Schar!
Nur fort! nur fort! da ist Zwerg Hildebrand
Er fluchte jüngst in einem Fieberstich
Auf dich, die Deinen, euer Haus und Land;
Da ist Lord Maurice alt, doch kein Stück wich
Sein Zorn mit grauem Haar Flieh! tu s für mich!
Flieh wie ein Geist.» «Ach Muhme, glaube mir,
Hier droht uns nichts. In diesen Stuhl setz dich
Und sag mir, wie » «Bei Gott! nicht hier, nicht hier;
Kind, folg mir, dieser Grund wird sonst zur Bahre dir.»
Er ging ihr unter niedren Bögen nach,
Spinnweben streifend mit dem Helmbuschflaum,
Und als sie murmelte «Ach, Elend, ach!»
Stand er in einem kleinen Mondlichtraum,
Fahl, kühl, vergittert, still wie Gräber kaum.
«Verrat mir nun», sprach er, «wo ist Madeleine,
O Angela beim heilgen Webstuhl, Traum,
Den nur geheime Schwesternschaften sehn,
Wenn sie voll Frömmigkeit St. Agnes Wolle drehn.»
«St. Agnes? Ah! St. Agnes Abend schlug
Doch kann ein Mord auch feiertags geschehn.
Ein Hexensieb hast du als Wasserkrug
Und scheinst der Lehnsherr aller Elfen, Feen,
Das Glück so zu versuchen: dich zu sehn,
Erstaunt mich, Porphyro! St. Agnes schlug!
Gott hilf! grad heut nacht muß beschwören gehn
Die junge Herrin. Täusch sie Engelstrug!
Lachen laß mich derweil, für Gram bleibt Zeit genug.»
Matt kichert sie im schwachen Mondenschein,
Da Porphyro in ihre Miene blickt
Wie ein verdutztes Balg dem Mütterlein,
Das nicht das Rätselbuch voll Wundern zückt,
Ist es bebrillt an den Kamin gerückt.
Doch funkelte sein Aug, als sie behende
Von seiner Liebsten Plan sprach: unterdrückt
Kaum Tränen, sann er kalten Spuk zu Ende
Und nach Madeleine, die schlief im Schoß alter Legende.
Wie Rosen blühn, kam ihm plötzlich ein Plan,
Warf heiße Stirn und Herz, von Qualen leck,
Purpurn in Aufruhr; ihr erzählt er dann
Von einer List, die sie erfüllt mit Schreck:
«Wie bist du grausam und doch gottlos keck!
Die Süße, bet sie, schlaf und träum allein
Mit ihren guten Engeln, weit weit weg
Von Männern schlecht wie du. Geh, geh! Nein, nein,
Der, der du einmal schienst, kannst du gewiß nicht sein.»
«Bei allen Heiligen ich tu ihr nichts!»
Rief Porphyro. «O finde nimmer Gnade
Mein letztes Flehn am Tage des Gerichts,
Falls einem ihrer Löcklein ich nur schade,
Ihr Antlitz roh in giergen Blicken bade.
Ach Angela, glaub mir bei diesen Zähren
Oder ich brüll mit schrecklicher Tirade,
Gleich jetzt, den Feind wach, reize ihn, und wären
Noch schärfer seine Klauen als die des Wolfs und Bären.»
«Ah! was der matten Seele Angst einjagen,
Daheim im Kirchhof, arm, schwach, schlagflußlahm
Der diese Nacht die Stunde noch mag schlagen,
Der noch kein Tag, kein Abend unterkam
Ohne Gebet für dich?» Dies hörend, nahm
Ein sanftres Wort der glühnde Porphyro,
Ergreifend und so voller tiefem Gram,
Daß Angela verspricht zu folgen, so
Wie immer er es wünscht, ob furchtsam oder froh.
Dies hieß, in strenger Heimlichkeit ihn führen
Bis in Madeleines Gemach, daß er, versteckt
Im Beigelaß, von niemand aufzuspüren,
Sehn könne ihre Schönheit, unentdeckt,
Und nachts vielleicht die reinste Braut erweckt,
Derweil ein Feenheer um die Decke strich,
Ihr Lid von fahlem Spuk schlafschwer gestreckt.
Nie traf zu solcher Nacht solch Liebe sich,
Seit Merlin seinem Dämon all die Schuld beglich.
«Wie du es wünschst», sprach sie, «soll es geschehn:
Naschwerk und Schmaus rasch aufgehäuft vor dir
Sei diese Festnacht; ihre Laute sehn
Wirst du am Stickrahmen. Doch eilen wir,
Ich trau all die Besorgungen vor mir
Kaum zu solch wirrem Kopf und trägem Leib.
Du wart, mein Kind; knie du und bete hier
Derweil. Ah! nimm sie nur gewiß zum Weib,
Daß ich am Jüngsten Tag nicht gar im Grab verbleib.»
Verstummt, hinkte sie emsig-ängstlich fort.
Endlos des Liebenden Minuten jetzt;
Sie kam zurück und wisperte ein Wort,
Daß er ihr folg ihr greises Aug entsetzt,
Im Finstern Späher fürchtend. Doch geschützt,
Nach manchem Flur, umgab sie leis,
Seidig und keusch Madeleines Gemach zuletzt,
Wo Porphyro sich barg, beseligt heiß.
Rasch glitt die Helfrin fort, die Stirn voll Fieberschweiß.
Auf dem Geländer zitternd ihre Hand,
Stieg Angela treppab durch Dunkelheit,
Als unversehens, geistgleich hergesandt,
Madeleine erschien, St. Agnes Zaubermaid:
Mit Silberleuchter und ganz Sorgsamkeit
Kehrte sie um, führte die Greisin so
Auf sichern, ebnen Grund. Nun sei bereit
Auf jenes Bett zu starren, Porphyro
Sie kommt, sie kommt zurück, ein Täubchen, das erst floh.
Der Docht erlosch, als sie den Raum betrat;
Sein Qualm verstrich im blassen Mondenlicht.
Sie schloß die Tür, sie keuchte, ganz verwahrt
In Luftgeistern und weitem Traumgesicht.
Kein Laut jetzt, oder weh dir reg dich nicht!
Nur daß ihr Herz, ihr Herz nicht innehält
Und ihre Balsambrust geschwätzig sticht
Wie zungenlos umsonst die Kehle schwellt
Und stirbt, das Herz erstickt, die Nachtigall im Feld.
Da war ein dreigeteilter Fensterbogen,
Umkränzt mit ausgeschnitzten Bilderein,
Von Früchten, Flor und Knöterich durchzogen,
Das Glas in Rauten wunderlich und fein,
Unendlich bunt in seinem Farbenschein
Wie der Damast der Bärenspinnerflügel;
Und mitten unter tausend Wappenreihn,
Düsteren Heiligen und Waffenspiegel
Ein Schild, tiefrot das Blut von Königen im Siegel.
Der Wintermond, der auf dies Fenster schien,
Warf warmes Rot auf Madeleines holde Brüste,
Als sie des Himmels Huld erbat auf Knien;
Rosig die Hände, die sie faltend preßte,
Ihr silbern Kreuz ganz milde Amethyste,
Gleich Heiligen den Glorienschein im Haar:
Sie schien, nur flügellos, ein Engel, küßte
Den Himmel schwach nahms Porphyro noch wahr:
Dort kniete sie, so rein, so allen Makels bar.
Neu lebt sein Herz auf: ihr Gebet gurchgangen,
Trennt sie ihr Haar von jedem Perlenstrick;
Löst nach und nach die warmen Schmuckstückspangen;
Öffnet ihr duftend Mieder; Stück für Stück
Kriecht raschelnd auf die Knie ihr Kleid zurück.
Der Meerjungfrau im Tang gleich, halb bedeckt,
Sinnt sie im Wachtraum nach derweil, im Blick
Des Geists St. Agnes, auf ihr Bett gestreckt,
Doch fürchtet hinzusehn, den Zauber schon verschreckt.
Bald, zitternd in dem weichen, kühlen Nest,
Schwand sie, wie ohnmachtswach, benommen hin,
Bis den gelösten Leib mohnwarm und fest
Der Schlaf hielt und entdämmern ließ den Sinn
Wie ein Gedanke fort bis Tagbeginn;
Selig beschützt vor Wonne wie vor Pein;
Ein Meßbuch schwarzen Kultes, stumm darin;
Beschirmt vor Regen wie vor Sonnenschein,
Als schlöß die Rose sich und würd neu Knospe sein.
Ein Dieb im Paradies, und so gebannt,
Sah Porphyro starr auf ihr leeres Kleid
Und lauschte ihrem Atem jetzt, gespannt,
Wann er erwach zu müder Zärtlichkeit.
Als er ihn hörte, dankte er der Zeit
Und holte selbst Luft. Dann, aus dem Verschlag,
Stumm wie die Furcht in weiter Ödigkeit,
Glitt er den leisen Teppich lang, still, zag,
Und lugte durch den Stoff, wo schau! sie schlummernd lag.
Dann, im schon schwächer silbermatten Glühn
Des Mondlichts, schob er einen Tisch ans Bett
Und warf, noch immer ängstlich, über ihn
Ein Tuch, durchwirkt von Gold, Karmin und Jett
O einschläfernd jetzt Morpheus Amulett!
Der gellend mittnächtliche Zinkenton,
Die Kesselpauke und das Klarinett
Schrecken sein Ohr, verklingen sie auch schon
Als sich die Saaltür schließt, ist aller Lärm entflohn.
Und noch schloß Schlaf azurlidrig sie ein
Im Linnen, weich, lavelfrisch und warm,
Als er in Mengen aus dem Kämmerlein
Kandierte Äpfel, Quitten, Pflaumen nahm,
Mit lindern Säften noch als Sahnerahm,
Und Sirup, in dem leuchtend Zimt zerronn;
Datteln und Manna, das im Prachtschiff kam
Aus Fez; und Spezerein, jede davon
Vom Seidensamarkand bis Zedernlibanon.
Dies Naschwerk häufte er mit glühnder Hand
In goldne Schalen und die Körbepracht
Getriebnen Silbers; sie stehn hell entbrannt
Im abgeschiednen Schweigen dieser Nacht,
Haben dem kühlen Raum sacht Duft gebracht.
«Nun sei, Geliebte, Seraph, zu erfüllen
Dich Himmel als dein Eremit, erwacht!
Öffne die Augen um St. Agnes willen,
Sonst sink ich neben dich, so leide ich im stillen.»
Dies wispernd, sank sein heißer Arm erschlafft
Ins Kissen. Schattig hielt ihr Traumgesicht
Der Vorhang mitternächtlich war die Kraft,
Dem Eis gleich, das der Strom nicht länger bricht.
Die Teller funkeln blank im Mondenlicht;
Ein breiter Goldsaum liegt am Teppich an
Erlösen, schiens, würd er im Leben nicht
Der Liebsten Aug von derart festem Bann;
So woben Phantasien ihn ein, derweil er sann.
Erwacht, ergriff er ihre dumpfe Laute,
Und wild, in Klängen zartster Harmonie,
Sang er das lang verstummte und ergraute
Lied der Provence "La Belle Dame sans Mercy",
Zupfend nah ihrem Ohr die Melodie
Von ihr im Schlaf gestört, stöhnte sie weich:
Er schwieg sie keuchte schnell da öffnet sie
Die blauen Augen und erschrickt sogleich.
Er sank auf seine Knie, wie glatter Marmor bleich.
Ihr Aug war offen, doch noch immer sah,
Auch wach, ihr Traum sie fest in seinem Bann
Verwandelt, schmerzte er, vertrieb beinah
Die doch so reinen, tiefen Wonnen dann.
Als nun zu weinen gar Madeleine begann,
Zu seufzen wirre Worte und Gestöhn,
Sah sie noch immer Porphyro starr an,
Der betend, flehentlichen Blicks auf Knien,
Nicht wagte, sich zu rührn, da so verträumt sie schien.
«Ah, Porphyro!» rief sie, «noch eben jetzt
Durchzog dein Klang mein Ohr in süßem Glück,
Ein jeder Schwur in Melodie gesetzt,
Und klar, ätherisch war dein trüber Blick
Wie anders bist du! bleich, kühl und bedrückt!
Laß jenen Götterblick mich wiedersehn,
Die Stimme hören, Klagen so verzückt!
O laß mich nicht in diesen ewgen Wehn,
Denn, Liebster, wenn du stirbst, weiß ich nicht, wohin gehn.»
Weitmehr als je ein Mensch erregt vor Wonne
Durch solche Wollust, hat er sich erhoben,
Verzückt, erglüht und bebend wie die Sonne
Im tiefen Schweigen des Saphirblaus droben.
In ihren Traum schmolz er hinein, verwoben
Wie Rosen- sich mit Veilchenduft verbindet
Süß aufgelöst. Schon gellt des Schneesturms Toben
Gleich Amors Warnsignal, und Hagel findet
Prasselnd ans Fensterglas; St. Agnes Mond verschwindet.
s ist Nacht: scharf prasselt sturmgepeitschter Regen.
«Dies ist kein Traum, du meine Braut, Madeleine!»
s ist Nacht: die eisgen Böen hämmern und fegen.
«Kein Traum! Elend, Elend und mein die Wehn!
Porphyro läßt mich hier schwinden und vergehn.
Verrat! Welch Rohling konnt dich zu mir bringen?
Ich fluch nicht, ists doch um mein Herz geschehn,
Kannst du auch mir Betrognen dich entringen
Mir Taube so verlorn, zerzaust und lahmer Schwingen.»
«Madeleine! mein süßer Träumer! holde Braut!
Sag, darf ich stets dein selger Sklave sein?
Der Schönheit Schild, rot, wie ein Herz gebaut?
Ah, hier will ich mich ausruhn, Silberschrein,
Nach all der Zeit der Irrfahrt und der Pein,
Schmachtender Pilger den nun Wunder tränken.
Entdeckt auch, raub ich deinem Nest allein
Dein süßes Selbst solltst du es recht bedenken
Und dein Vertraun, Madeleine, nicht rohen Heiden schenken.
Horch! Elfenwind des Märchenlands weht da
So wild er scheint, er hat uns Glück gebracht.
Steh auf steh auf! der Morgen ist schon nah.
Keiner der aufgeblähten Säufer wacht.
Fort laß uns jetzt, mein Herz, mit aller Macht
Kein Ohr hört her, kein Auge wundert sich,
Alle verschluckt vom Met- und Rheinweinschacht.
Wach auf, mein Herz! komm, halt dich nur an mich
Südwärts, jenseits des Moors, hab ich ein Heim für dich.»
Dem lauschend, eilte sie von Furcht bedrückt,
Schliefen Dragonerdrachen doch ringsher,
Wachten voll Zorn vielleicht, den Speer gezückt:
Die Treppe fanden sie im Dunkeln leer;
Nichts Menschliches im Haus vernahm man mehr.
An Ketten schwankten Leuchter auf dem Gang;
Gobelins, verziert mit Habicht, Hund und Heer,
Flatterten in des Winds Erstürmungsdrang,
Der Teppich hob sich schwer den kalten Flur entlang.
Und fort sind beide ja, vor langer Zeit
Ist in den Sturm dies Liebespaar entflohn.
Dem Freiherrn träumte jene Nacht manch Leid,
Und lang vom Alp gedrückt durch Spuk und Hohn
Von Hexen, Sarggewürm und manch Dämon
Ward all sein Gästeheer. Angela starb alt,
Vom Schlag gelähmt, ihr Antlitz Knochen schon;
Der Fürbitter, nach tausend Aves bald,
Entschlief, nie mehr vermißt, wie seine Asche kalt.