Johanna Sebus (Johann Wolfgang von Goethe)
Zum Andenken der siebzehnjährigen Schönen, Guten aus
dem Dorfe Brienen, die am 13. Januar 1809 bei dem Eisgang des
Rheins und dem großen Bruche des Dammes von Cleverham, Hilfe
reichend, unterging.
Der Damm verschwindet, die Welle braust,
Eine Meereswoge, sie schwankt und saust.
Schön Suschen schreitet gewohnten Steg,
Umströmt auch, gleitet sie nicht vom Weg,
Erreicht den Bühl und die Nachbarin;
Doch der und den Kindern kein Gewinn!
Der Damm verschwand, ein Meer erbraust's,
Den kleinen Hügel im Kreis umsaust's.
Da gähnet und wirbelt der schäumende Schlund
Und ziehet die Frau mit den Kindern zu Grund;
Das Horn der Ziege faßt das ein',
So sollten sie alle verloren sein!
Schön Suschen steht noch strack und gut:
Wer rettet das junge, das edelste Blut!
Schön Suschen steht noch wie ein Stern;
Doch alle Werber sind alle fern.
Rings um sie her ist Wasserbahn,
Kein Schifflein schwimmet zu ihr heran.
Noch einmal blickt sie zum Himmel hinauf,
Dann nehmen die schmeichelnden Fluten sie auf.
Kein Damm, kein Feld! Nur hier und dort
bezeichnet ein Baum, ein Turm den Ort,
Bedeckt ist alles mit Wasserschwall;
Doch Suschens Bild schwebt überall.-
Das Wasser sinkt, das Land erscheint,
Und überall wird schön Suschen beweint.-
Und dem sei, wer's nicht singt und sagt,
Im Leben und Tod nicht nachgefragt!