Heinrich Seidel

Symphoniekonzert im Freien - 1. Die Nachtigall (Heinrich Seidel)

Symphoniekonzert im Freien

1. Die Nachtigall

Zwar Unsinn ist es! Streichmusik im Freien.

Der Geigen Schall versinkt im weiten Raum,

So kraftlos brummt der Bass, und nur die Bläser

Behaupten sich soso lala. Allein

Wer pfercht sich gern zur schönen Sommerszeit

In dumpfe Säle ein. - Im Lindenschatten

Da draussen sitzt es sich so gut im Kühlen.

Dazu ein wenig Mozart, Mendelssohn,

Beethoven, Weber und zum Gegenüber

Ein schönes Kind. Je nun, da macht es sich.

Zuweilen dann beim Pianissimo

Geht sauft ein Rauschen durch das laub'ge Dach,

Und Lindenblüthenblätter wehn hernieder,

Die Meisen zwitschern. und ein kecker Fink

Mischt sich herein mit schmetternder Fanfare. -

Doch einmal kam es ärger noch, fürwahr!

Ein Flötensolo. - Ja der Mann verstand's:

Wie Perlen glitten hin der Töne Reihn.

Dazwischen goldne Triller und Kadenzen.

Sehr gut und schön - wenn nur die Nachtigall

Im Nebengarten nicht gewesen wäre

Mit ihrem Wettgesang. Die kleine Brust,

Die unerschöpflich melodieenreiche,

Dem Flötenbläser zugewendet, sang

Und jauchzte sie helljubelnd gegenan!

Das war der Frühling selbst - kein Musikant.

Der kunstvoll in des Holzrohrs Löcher pustet.

Doch jeder wusste, wer hier Meister war!

Verfügbare Informationen:
Erschienen im Buch "Glockenspiel - Gesammelte Gedichte, Band VII der Gesammelten Sch"
Herausgeber: A.G. Liebeskind