Gustav Theodor Fechner

Räthsel (Gustav Theodor Fechner)

1.

Ich bin ein schwarzer Ritter,

Doch hab ein weißes Roß,

Mein Sporen schmeckt ihm bitter,

Sein Zorn darob ist groß.

Es möchte mich zermalmen,

Schlägt nach mir kreuz und quer,

Doch ob sein Zorn mag qualmen,

Es kümmert mich nicht sehr;

Sitz auf der Croupe hinten,

Wenn mich sein Schlag sucht vorn,

Bin auf dem Hals zu finden,

Sucht hinten mich sein Zorn;

Und will sichs müde legen,

So sporn ichs wieder auf,

Bin immerdar verwegen,

Bin immer oben drauf.

2.

Die erste Silbe gut zu nützen,

Mußt du sie recken bald, bald spitzen,

Mußt sorglich ja das Blasen scheuen,

Sie bald verschließen und bald leihen.

Damit die andern zwei dir frommen,

Genügt als Anweisung vollkommen,

Sie grad nur in den Mund zu stecken;

Sie werden sicher gut dir schmecken.

Das Ganze klüglich anzuwenden,

Mußt du recht rüstig sein von Händen,

Und, eh der andre es mag denken

Ihn mit der Gabe rasch beschenken.

3.

Die Erste besteht aus lauter Leichen,

Die ein lebendiges Grab verschlingt,

Viel tausend selbander mögen nicht reichen,

Die schnell der Mann mit der Hippe bezwingt.

Der andern Paar enthält zuweilen

Das, was die erste Silbe genannt;

Und immer ist es, was leicht zu teilen,

Bald Korn, bald Geld, bald Mist, bald Sand.

Das Ganze baut vor euern Blicken

Als ein Gebirge rasch sich auf,

Noch niemand fiel von seinem Rücken,

Doch fällt wohl mancher gern darauf.

4.

Du siehst im ersten Silbenpaar

Das Schönste auf der Erde;

Ein junger Offizier sogar

Hält höher es als Pferde.

Die Dritte sucht manch armer Tropf

Im Schiffbruch zu gewinnen,

Doch hat sie jemand vor dem Kopf,

So litt er ihn schon drinnen.

Das Ganze ist ein eben Feld,

Auf dem wird viel gestritten;

Auch manche Dame kämpft als Held

und jede ist beritten.

5.

Die erste Silbe ist ein kleines Adjektiv,

Wenn dus erraten willst, denk nicht, sein Sinn sei tief;

Und wenn es dir gelang, daß dus erraten hast,

Trag nicht dein Näslein so, daß drauf das Beiwort paßt.

Die zweite Silbe hält dir nirgends Stand noch Stich;

Läuft stets nach dem, was vorn, und wirfts gleich hinter sich,

Läuft ohne Rast und Ruh; du fragst: nach welchem Ziel?

Den Allerweisesten wohl fragst du da zu viel.

Das Ganze ist bestimmt, aus zwei zu machen eins;

Gern wird dabei geleert ein Becher besten Weins;

Getanzt, gelacht, gespielt; niemand an Übles denkt;

Doch ward es manchem Grund schon, daß er sich gehenkt.

6.

Die beiden Ersten machen

Den Weibern oft es nach,

Jetzt sieht man sie noch lachen

Und weinen gleich danach.

Ein Sultan ist die Dritte,

Geht stets gespornt einher

Mit stolzem Herrschertritte,

Doch niemals reitet er.

Das Ganze ist beweglich

Zwar, wenn es still steht, stumm,

Doch schreits mitunter kläglich,

Sobald sichs dreht herum.

7.

Die Erste ist von großer Macht,

Besiegt den Sieger nach der Schlacht,

und alle Menschen fallen nieder,

So oft die Mächtge kehret wieder.

Das Paar der andern übersteigt

Die Höhe, die der Mensch erreicht,

Doch oft sieht man sie niedersteigen,

Vor ihresgleichen sich zu neigen.

Das Ganze strebt nach keinen Höhn,

Läßt alles wie es gehn will gehn,

Und ging es stets aus seinem Ton,

Nie gäb es Revolution.

8.

Es ist ein kleines Wickelkind,

Liegt da erst kalt und starr und blind,

Dann ist ein kurzes Leben

Auf einmal ihm gegeben.

Da wird es warm, da blickt es hell,

Fängt an zu atmen, wird ein Quell

Von Lust, ein kleiner Segen

Für den, der sein will pflegen.

Doch lange bringts ihm nicht Gewinn,

Denn statt zu wachsen, schwindets hin;

Der Geist entweicht nach oben,

Der Leib ist bald zerstoben.

9.

Die ersten beiden reiten ein Pferd,

Ein Pferd, das nur ein paar Heller ist wert,

Sie reiten hinauf auf einen Berg;

O weh, was treiben sie da für ein Werk!

Der Silben dritte treibt Knall und Fall

Ein kleines Wesen aus seinem Stall;

Es flieht, von hinten gejagt, wie ein Pfeil,

Und wehe, erreichts dich in seiner Eil.

Das Ganze fällt mit grimmigem Zahn

Ganz unversehens im Rücken dich an;

Und wehe, erträgst du es nicht mit Geduld,

Dich nur zu rühren, straft es als Schuld.

10.

Ich bin bei der Kirche angestellt,

Mein Wesen ist ganz erbaulich

Und über den Dingen dieser Welt

Mein Standpunkt hoch und beschaulich.

Mein Wort ist einfach, doch hat es die Macht,

Zur Andacht zu rufen die Frommen;

So dien ich der Kirche bei Tag und bei Nacht

Und bin doch hinein nie gekommen.

11.

Wenn du durch Raten nicht die Erste kannst erzwingen,

Ich geb dir einen Schlag, so wirds sogleich gelingen.

Die zweite Silbe hat nur durch Beziehung Sinn;

Doch nennt die Liebste so den Liebsten oft schlechthin.

Die Dritte rufet zu den roten Sonnenrossen:

Ihr Schläfer, wachet auf, was säumt ihr so verdrossen!

Das Ganze wohnt im Wald, suchst du es da nicht gern,

Ei nun, so geh zu Tisch bei einem hohen Herrn.

12.

Zwar hab ich beinah kein Gewicht,

Jedoch an Umfang fehlt mirs nicht;

Bin vielmehr eine kleine Welt,

Die sich im Raume schwebend hält;

Was immer darauf webt und lebt,

Ist alles nur aus Licht gewebt;

Ein Hauch, durch den ich erst entstand;

Ein Hauch, durch welchen ich verschwand.

13.

Am Paar der Ersten freut nach wackern Taten

Wohl jeder sich, sie winken ihm zur Rast;

Das Paar der andern hat gar oft verraten

Den Lügner als ein ungebetner Gast.

Das Ganze ist die allerschönste Schleppe.

Dran Gold und Purpur streiten um den Sieg;

Man sieht sie decken noch die hohe Treppe,

Nachdem die Königin schon niederstieg.

14.

Siehst du die zweite Silbe gehn,

Folgt oft die erste hinterdrein:

Siehst du die zweite Silbe stehn,

Geht oft die erste in sie ein.

Oft, wenn die erste Silbe liegt,

Siehst du das Ganze sitzen drauf;

Oft, wenn die erste Silbe fliegt,

Siehst du das Ganze springen auf.

15.

Willst du zurücke kehren

Im Lenz aus fremdem Raum,

So soll dich niemand stören

Im Häuslein auf dem Baum.

Doch willst du mir verkümmern

Den Lenz, das Morgenrot

Und was sonst schön mag schimmern,

So steche man dich tot.

16.

Bin ich Wasser, bin ich Luft,

Bin ich Geist, bin ich Duft?

Etwas von dem allen;

Fahr hinaus mit Gebraus,

Und zu Saus und zu Braus

Laß ichs auch noch knallen.

17.

Kannst du mir sagen, welcher Stand

Von einem Worte ist genannt,

Was grad das Gegenteil besagt

Von dem, womit der Stand sich plagt.

Wohl oft jagt den, den nennt das Wort,

Der Andre, auf dens passet, fort.

18.

Die Erste heißt lateinisch hinten,

Doch deutsch bewegt sie sich nach vorn;

Die andre ist stets vorn zu finden,

Als Schmuck und Waffe für den Zorn;

Das Ganze ist bald vorn, bald hinten,

Schweigt hinten und spektakelt vorn.

19.

Die beiden ersten Silben geben Rat,

Du sollst begehen eine schlimme Tat;

Es ratet dir das Paar der andern beiden,

Daß du was Schlimmes selber sollst erleiden;

Ich rate dir, vom Ganzen bleibe weg,

Wenn grau dein Röcklein ist und wenn du liebst den Speck.

20.

Aus der ersten Silbe macht man Soldaten,

Auch tun die Soldaten damit viele Taten;

Die andre gleicht einem winzigen Stecken

Und dienet statt Zwecken, was feste zu stecken;

Das Ganze gebrauche niemals mit Hitze;

Es ist nicht mehr nütze, verliert es die Spitze.

21.

Die Ersten sind ein Untertan,

Die Letzte ist ein Untertan,

Das Ganze ist ein Untertan,

Der von dem letzten Untertan

Wird unter den ersten Untertan

Ganz untertänigst getan.

22.

Auf weißem Feld

Sind zweie gesellt;

Das Eine zerspält,

Was das andre hält;

Wozu sie bestellt,

Drum dreht sich die Welt.

23.

Die Erste wird gebaut im Lenze

Von Baumeistern, die haben Schwänze;

Die adern gilts nicht anzustrengen,

Nur etwas Leichtes dranzuhängen;

Das Ganze bleibt daheim zurücke,

Wenn seine Schwestern längst sind flügge.

24.

Das Paar der Ersten ist ein Segen

Fürs Land, doch nicht für deinen Hut;

Das Paar der andern zwar kein Degen,

Als Waffe doch nicht minder gut;

Das Ganze unter allen Stegen

Der höchste durch die höchste Flut.

25.

Die erste Silbe ist ein Gott mit tausend Schrecken,

Die andern zwei ein Mensch, bequem zum Necken,

Das Ganze ist gemacht, um drauf zu gehn,

Die beiden andern aber müssen drunter stehn,

Sonst würde alles drauf und drunter gehn.

26.

Die erste Silbe fährt herunter,

Die andre bedeutet selbst herunter,

Am Paar der letzten gehts hinauf,

Am Ganzen geht herab der Lauf.

27.

Die Erste ist das in trocknem Zustande,

Was frisch als die andre wächst in dem Lande.

Weh! wem das Ganze nur steht zu Gebot,

Sich dran zu halten, kommt er in Not.

28.

Die erste Silbe lehrt ein fremd Gewicht dich kennen;

Was nur kein Unding ist, wird dir die zweite nennen;

Das Ganze lob ich mir, wenn es ist gut geraten,

Es sei vor oder nach, nur nicht anstatt des Braten.

29.

Die Erste enthält die Mittel zum Beißen,

Die Andre enthält die Sachen zum Beißen,

Das Ganze hindert die Mittel zum Beißen

Zu kommen zu den Sachen zum Beißen.

30.

Die Erste ist leicht verdaulich, für Kinder gut zu essen,

Indes an Ältren oft die andre frißt und zehrt.

Als wollt es selber sich und dazu andre fressen,

Sieht stets das Ganze aus, drum laßt es ungestört.

31.

Die Erste zu halten ist oft schwer,

Die andre ist Sache des Glücks gar sehr,

Das Ganze ist nur ein schwarzer Zwerg

Und hebt ganz leicht doch einen Berg.

Und hebt ganz leicht doch einen Berg.

32.

Es stellt als Frucht das erste Paar,

Als Pflanze sich das andre dar;

Doch wenn ihr beide wollt verbinden,

So wird alsbald ein Tier sich finden.

33.

Die erste Silbe frißt,

Die andre Silbe ißt,

Die dritte wird gefressen,

Das Ganze wird gegessen.

34.

Die beiden Ersten sind mehr als gut:

Mit der Dritten wehrt sich die Gassenbrut

Das Ganze ist die adlige Klasse

Unter einer sonst sehr gemeinen Rasse.

35.

Die Erste ist ein Wort zum Fragen,

Die andre gut, um zuzuschlagen;

Das Ganze läßt den Gaumen zagen,

Ist aber heilsam für den Magen.

36.

Steh ich als Riese auf dem Dach,

So ist es wohnlich drinnen;

Steig ich herab in dein Gemach,

So treib ich dich von hinnen.

37.

Die Erste teilst du mit den Affen,

Die andre stockt, wenn du willst gaffen;

Das Ganze nenn ich ehrenwert,

Wenns vielen dient und einen nährt.

38.

Die Ersten sind des Fleißes Muster,

Die Dritte dient, ihn einzubläun,

Das Ganze ist inwendig duster,

Doch Quell von lichtem Kerzenschein.

39.

Geteilt ists große Zahl zugleich und klein Gewicht;

Vereint ist es ein Streit von Hoffnung und Verzicht.

1. - Floh

2. - Ohrfeige

3. - Heuhaufen

4. - Damenbrett

5. - Hochzeit

6. - Wetterhahn

7. - Schlafmütze

8. - Zigarre

9. - Hexenschuß

10. - Kirchturm

11. - Auerhahn

12. - Seifenblase

13. - Abendröte

14. - Heupferd

15. - Star

16. - Champagner

17. - Bedienter

18. - Posthorn

19. - Mausefalle

20. - Bleistift

21. - Stiefelknecht

22. - Messer und Gabel

23. - Nesthäkchen

24. - Regenbogen

25. - Pantoffel

26. - Blitzableiter

27. - Strohhalm

28. - Pudding

29. - Maulkorb

30. - Griesgram

31. - Maulwurf

32. - Apfelschimmel

33. - Sauerkraut

34. - Edelstein

35. - Wermut

36. - Rauch

37. - Handwerk

38. - Bienenstock

39. - Vogelbauer

40. - Vielleicht