Das Wunder (Gustav Falke)
Das Gräflein saß auf seinem Schloß
so recht in vollem Fett,
nur eins blieb ihm versagt: Ein Sproß
aus ehelichem Bett.
Es tat, was man in solchem Fall
mit Inbrunst pflegt zu tun,
doch lassen Heilige überall
die Hände einmal ruhn.
An hundert Messen, all umsunst
und Kerzen ohne Zahl
da wird Vertrauen schwere Kunst
und Hoffen schwere Qual.
»Herr Bischof, sagt, was bleibt mir noch?
Wißt Ihr noch einen Rat?
Der Himmel zürnt, wiewohl ich doch
die frömmsten Werke tat?«
Der Bischof lächelt fein und still
und streicht den blonden Bart:
»Mich dünkt, Herr Graf, der Himmel will,
daß Ihr zum Kreuze fahrt.
Das war noch immer letztes Heil
aus aller Not heraus,
fahrt hin, Herr Graf, ich bin derweil
ein Hirte Eurem Haus.«
Der Ritter rüstet Roß und Troß
zum letzten, was ihm blieb:
»Herr Bischof, hütet Frau und Schloß
mit Eurer frommen Lieb.
Find ich im heiligen Land die Gnad,
ein Kirchlein will ich baun
mit einem Türmlein schlank und grad,
für unsre liebe Fraun.«
Des Bischofs Segen nahm er mit,
des Weibes letzten Kuß,
und ritt betrübt davon, im Schritt,
denn Scheiden schafft Verdruß.
Zwei Jahre gehn gewiß darauf,
und ob die Reise nützt?
Sein Herz doch stärkt sich mählich auf,
einfältig Glauben stützt.
Zwei Jahre gingen drauf, trotzdem
er keine Zeit verlor.
Er kniete in Jerusalem
und trug sein Wünschen vor.
Und als er lag am heiligen Grab,
war's ihm, als sei's gewährt.
Noch fragt sich: Mädel oder Knab?
Ich nehm, was mir beschert.
Gestärkten Glaubens zog er heim,
sein liebes Weib im Sinn,
summt einen alten Wiegenreim
im Sattel vor sich hin.
Sein Schildknapp knurrte in den Bart
und hielt die Hand ans Ohr:
»Das ist mir schöne Ritterart,
der tut's der Amm zuvor.«
»Herr Bischof, ja, ich hab's erprobt,
Ihr ratet keinem schlecht.
Das Kirchlein, das ich ausgelobt,
es steht schon, seh ich recht.«
Weit riß der Graf die Augen auf,
kein Blendwerk war dabei:
Das Kirchlein stand, und obendrauf
der schlanken Türmlein zwei.