Gottfried August Bürger

Des armen Suschens Traum (Gottfried August Bürger)

         

Ich träumte, wie um Mitternacht

Mein Falscher mir erschien.

Fast schwür ich, daß ich hell gewacht,

So hell erblickt ich ihn.

Er zog den Treuring von der Hand

Und ach! zerbrach ihn mir.

Ein wasserhelles Perlenband

Warf er mir hin dafür.

Drauf ging ich wohl ans Gartenbeet,

Zu schaun mein Myrtenreis,

Das ich zum Kränzchen pflanzen tät.

Und pflegen tät mit Fleiß.

Da riß entzwei mein Perlenband,

Und eh ich's mich versah,

Entrollten all' in Erd und Sand,

Und keine war mehr da.

Ich sucht und sucht in Angst und Schweiß,

Umsonst, umsonst! Da schien

Verwandelt mein geliebtes Reis

In dunkeln Rosmarin.

Erfüllt ist längst das Nachtgesicht,

Ach! längst erfüllt genau.

Das Traumbuch frag ich weiter nicht,

Und keine weise Frau.

Brich, armes Herz! Zur Totenkron

Erwuchs dir Rosmarin.

Verweint sind deine Perlen schon,

Der Ring, der Ring ist hin!

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-000228-1
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.