An die Hoffnung (Gottfried August Bürger)
O beste holde Feen,
Mit liebevollem Sinn
Vom Himmel ausersehen
Zur Menschentrösterin!
Der schönsten Morgenstunde,
Gehüllt in Rosenlicht,
Der Suada gleich am Munde,
Der Honigrede spricht!
Du, die mich oft erheitert,
Vernimm, o Hoffnung, mich!
Mein freies Herz erweitert
Zu Lobgesängen sich.
Sie lodern mit dem Feuer
Des frommen Danks empor.
O neig' auf meine Leier
Dein allgefällig Ohr!
Als mit dem goldnen Alter
Der Unschuld Glück entwich,
Da sandten die Erhalter
Gequälter Menschen dich:
Daß du das Unglück schwächtest,
Des Lasters Riesensohn,
Und Freuden wiederbrächtest,
Die mit der Unschuld flohn.
Nun wandelt im Geleite
Dir ewig Ruhe nach.
Im Aufruhr und im Streite
Mit grausem Ungemach
Ertheilest du dem Müden,
Eh ganz sein Muth erschlafft,
Erquickung oder Frieden
Und neue Heldenkraft.
Du scheuchest von dem Krieger
Das Grauen der Gefahr
Und tröstest arme Pflüger
Im dürren Mangeljahr.
Aus Wind und lauem Regen,
Aus Sonnenschein und Thau
Verkündest du den Segen
Der zart besproßten Au.
Von deinem Flügel düftet
Ein Balsam für den Schmerz,
Bei seinem Weben lüftet
Sich das beklommne Herz.
Dein Odem hauchet Kräfte
Verwelktem Elend ein;
Erstorbne kalte Säfte
Belebt dein milder Schein.
Du bist es, die dem Kranken
Die Todesqualen stillt,
Mit wonnigsten Gedanken
Von Zukunft ihn erfüllt,
In seinen letzten Träumen
Das Paradies ihm zeigt
Und unter grünen Bäumen
Die Lebensschale reicht.
Die du den armen Sklaven
Im dunkeln Schacht erfreust,
Von unverdienten Strafen
Erlösung prophezeist,
Dem im Tyrrhenermeere
Die Last des Ruders hebst
Und über der Galere
Wie Frühlingswehen schwebst:
O Göttin! Deine Stimme
Tönt der Verzweifelung
In ihrem tauben Grimme
Noch oft Beruhigung.
Dein holder Blick entwinket
Sie gieriger Gefahr.
Der Todesbecher sinket,
Der schon am Munde war.
Und ach! Verschmähte Liebe
Bräch' ihren Wanderstab
Getrost entzwei und grübe
Sich vor der Zeit ihr Grab;
Doch du hebst ihr im Leiden
Das schlaffe Haupt empor
Und spiegelst ihr die Freuden
Erhellter Zukunft vor.
Das hat mein Herz erfahren!
Schon lange wäre wol
Von meinen Trauerjahren
Die kleine Summe voll;
Schon hört' ich auf zu streben,
Mir brach das Auge schon;
Ich kam zurück ins Leben
Auf deinen Schmeichelton:
»Vielleicht, daß deiner Zähren
Die letzte bald verschleicht.
Wie lange wird es währen,
So hauchest du vielleicht
Den Seufzer ihr entgegen,
Dem Lieb' und Glück verliehn,
Die Harte zu bewegen,
Die unempfindlich schien.
»Und blieb ihr Herz hienieden
Auch immer unerweicht,
So ist sie dir beschieden
Im Himmel noch vielleicht,
Im Himmelreich, wo Liebe
Die Seelen all' erfüllt
Und jede Brust die Triebe
Der andern Brust vergilt.
»Dann süßer Lohn der Treue!
Beschleicht die leere Brust
Erbarmen oder Reue
Voll reiner Liebeslust.
In Edens schönster Laube
Beseligt Liebe dich.«
O Paradiesesglaube,
Erhalt und stärke mich!