Gottfried August Bürger

An Themire (Gottfried August Bürger)

Travestirt nach dem Horaz.

           

Ach, würden falsche Schwüre

Durch Zeichen an dir kund!

Verfärbte sich, Themire,

Dein frevelhafter Mund!

O, daß ein Zahn sich schwärzte,

Meineidige, daß nur

Ein Fingerchen dir schmerzte,

Das sich erhob zum Schwur!

So glaubt' ich, Götter hielten

Noch was auf Treu und Pflicht,

Und falsche Mädchen spielten

Mit theuern Eiden nicht. –

Doch deinen Reiz erheben

Verbrechen nur noch mehr,

Und immer dichter schweben

Verehrer um dich her.

Frau Venus und ihr Völkchen

Läßt fünf gerade sein.

Von Unmuth nicht ein Wölkchen

Hüllt ihre Stirnen ein.

Per Dio! – Was noch schlimmer –

Dein Flattersinn ergötzt

Den Schadenfroh, der immer

An heißen Pfeilen wetzt.

Daher in allen Schulen

Befiedert täglich sich

Ein Paar von jungen Buhlen,

Und insgesammt für dich.

Die kommen dann und zollen

Dir Huldigung und Pflicht;

Die alten aber trollen

Deswegen sich noch nicht.

Und alt und jung umschwärmet

Nun wie behext dein Haus.

Man boxet sich, man lärmet...

Ach, wo will das hinaus? –

Du ängstigst junge Frauen:

Es möchte deinen Werth

Ein Tröpfchen Gunst bethauen,

Das ihnen zugehört.

Verfügbare Informationen:
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.