Gottfried August Bürger

An Agathe (Gottfried August Bürger)

Nach einem Gespräche über ihre irdischen Leiden

und Aussichten in die Ewigkeit.

               

Mit dem naßgeweinten Schleier

Lösch' ich meine Thränen aus,

Und mein Auge schauet freier

Ueber Zeit und Grab hinaus.

Geist erhabner Prophezeiung,

Gottes Geist erleuchtet mich.

Lebensodem zur Erneuung

Weht gewiß auch über mich.

Jedes Drangsal dieses Lebens,

So dein weiches Herz gedrückt,

Zeuget, daß du nicht vergebens

Oft nach Trost hinausgeblickt.

Nein! Nicht schwelgendem Gewürme

Nun und immerdar ein Raub

Noch ein Spiel der Erdenstürme

Bleibet guter Herzen Staub.

Nein! In diese Wüsteneien

Sind wir ewig nicht gebannt.

Keine Zähre darf uns reuen,

Denn sie fiel in Gottes Hand.

Was auf diese dürren Auen

Von der Unschuld Thränen fällt,

Wird gesammelt, zu bethauen

Die Gefilde jener Welt:

Die Gefilde, wo vom Schnitter

Nie der Schweiß der Mühe rann,

Deren Aether kein Gewitter

Und kein Nebel trüben kann.

Seufzer, deines Grames Zeugen,

Werden auf gen Himmel gehn,

Werden einst von Palmenzweigen

Kühlung dir herunterwehn.

Von dem Schweiße deiner Mühen,

Der hier Undankbaren quillt,

Werden dort einst Blumen blühen,

Wie sie hier kein Lenz enthüllt.

Wann Verfolgung ihren Köcher

Endlich auf dich ausgeleert,

Wann dein Gold sich vor dem Schwächer

Seines Glanzes rein bewährt,

Und zur Erntezeit der Saaten,

Da das Korn geworfelt wird,

Ausgestreuter Edelthaten

Reine Frucht im Siebe schwirrt. –

Heil der schönsten schöner Stunden,

Die sich um dein Leben drehn,

Die, vom Sclavenzwang entbunden,

Dich zur Freiheit wird erhöhn! –

Mich begleite jede Wahrheit,

Die du schmeichelnd mir vermählt,

Zu dem Urquell aller Klarheit,

Wo kein Reiz sich mehr verhehlt!

Verfügbare Informationen:
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.