Stilles Abenteuer (Gottfried Keller)
In dem Winkel einer Schenke sassen
Einstmals Jäger nach vollbrachtem Jagen.
Sie erzählten sich die feinen Künste,
Wie des Wildes Heimlichkeit zu sehen,
Alle Kreatur sei zu beschleichen.
Als sie nun nicht ihrem Witz alleine,
Sondern auch dem Glück erkenntlich waren,
Griff ein alter Schlingel nach dem Faden
Des Gesprächs und zog ihn an sich, gleich der
Schnur, mit der ein Netz man zuzieht.
Ein erlebtes Jugendabenteuer
Bracht' er vor mit schlauen Blinzeläuglein,
Dass die Köpfe sie zusammensteckten
Und die Pfeifen bald erkalten liessen:
"Wohl, ich sass im hohen Eschenbaume,
In dem Kronenbusche still verborgen;
Unterm Baume lag ein schönes Weibchen
Auf dem sonnbeglänzten Sand im Bade,
Auf dem Rücken lag sie unbeweglich,
Mit dem Köpfchen auf dem warmen Ufer,
Ihre Arme reglos drum geschlungen.
Doch die kleinen Füsse, sie verschwanden
In dem blauen Purpur des Gewässers;
Aber sichtbar wurde schon das Leuchten
Ihrer Knie durch das bewegte Wasser,
Und wie Glas auf ihrem weissen Schosse
Unablässig floss die Welle weiter,
Und die Silberfischchen schwammen ruhig
Über ihre Hüften hin, erblinkend,
Wenn sie steuernd ihre Flossen regten.
Auf des Stromes hellbeglänzte Breite
Sah die Schöne mit halboffnen Augen.
Kahl und einsam lag das andre Ufer,
Nicht ein menschlich Wesen zu erspähen.
Triumphierend lächelte die Holde;
Denn das Äusserste zu wagen und ihm
Zu entgehen, lieben oft die Frauen.
Doch sie ahnte nicht, dass ihr zu Häupten
Sie belauscht' ein arger Entenjäger,
Den das Glück auf jenen Baum getrieben;
Und ich musste mich zusammenfassen,
Nicht wie reife Frucht vom Baum zu fallen,
Während ich in meinem Sinn erdauert',
Was zum Heil der Schönen zu beginnen?
Schweigen, fand ich, ist das Heil für alle;
Wenn ich schweig' von dem, was ich gesehen,
Ist mir wohl und ihr nicht weh geschehen!"