Gottfried Keller

Justinus Kerner (Gottfried Keller)

, Morgenblatt 1845

Lasst mich in Gras und Blumen liegen

Und schaun dem blauen Himmel zu,

Wie goldne Wolken ihn durchfliegen,

In ihm ein Falke kreist in Ruh'.

Die blaue Stille stört dort oben

Kein Dampfer und kein Segelschiff,

Nicht Menschentritt, nicht Pferdetoben,

Nicht des Dampfwagens wilder Pfiff.

Lasst satt mich schaun in dieser Klarheit,

In diesem stillen, sel'gen Raum:

Denn bald könnt' werden ja zur Wahrheit

Das Fliegen, der unsel'ge Traum.

Dann flieht der Vogel aus den Lüften,

Wie aus dem Rhein der Salmen schon,

Und wo einst singend Lerchen schifften,

Schifft grämlich stumm Britannias Sohn.

Schau' ich zum Himmel, zu gewahren,

Warum's so plötzlich dunkel sei,

Erblick' ich einen Zug von Waren,

Der an der Sonne schifft vorbei.

Fühl' Regen ich beim Sonnenscheine,

Such' nach dem Regenbogen keck,

Ist es nicht Wasser, wie ich meine,

Wurd' in der Luft ein Ölfass leck.

Verzeiht dies Lied des Dichters Grolle,

Träumt er von solchem Himmelsgraus,

Er, den die Zeit, die dampfestolle,

Schliesst von der Erde lieblos aus.